TSV 1860

Spaltung auf allen Ebenen

von Redaktion

LUDWIG KRAMMER

Die geforderte Zaunbesteigung vor der Westkurve hat Daniel Bierofka am Samstag erfolgreich vermieden. Erleichterung ist für den Trainer des TSV 1860 kein Grund zum Feiern, schon gar nicht im Beisein eines gerade abgestiegenen Gegners. Womöglich hatte Bierofka in diesen emotionalen Momenten aber auch schon die anstehende Pressekonferenz im Kopf, in der er seine clubpolitische Zurückhaltung auf pointierte Art abstreifte, nein, mit Schmackes zur Seite schmiss.

Deutlich wie nie positionierte sich der Fußball-Lehrer gegen den Kurs von Vereinspräsident Robert Reisinger, der frische Darlehen von Hauptgesellschafter Hasan Ismaik mit Verweis auf dessen Zahlungsmoral ablehnt und einen „harten Schnitt“ im Profi-Etat für unumgänglich hält. Bierofka sieht die Konkurrenzfähigkeit seiner Mannschaft für die kommende Saison als gefährdet an – bei aktuell nur einem fitten und vertraglich gebundenen Innenverteidiger (Felix Weber) lässt sich dies als Notwehr verstehen. Reisingers Replik, er halte Bierofkas Äußerungen aus dessen „subjektiver Binnenperspektive“ für nachvollziehbar, wird das Nicht-Verhältnis der beiden kaum verbessern.

Die Spaltung der Löwen hat nun also auch die sportliche Leitung ganz offiziell erreicht. Mit welchen Folgen? Darüber wird vermutlich erst die Mitgliederversammlung am 30. Juni weiteren Aufschluss bringen. Reisingers Anti-Ismaik-Kurs wird vom e.V.-Verwaltungsrat und großen Teilen der Ultraszene begrüßt. Ein gut organisiertes, schnell mobilisierbares Klientel, das dem Präsidentschaftskandidaten auch ob seiner klaren Bekenntnis zum Grünwalder Stadion die Stange hält. Ismaik wiederum muss auf eine ablehnende Mehrheit hoffen, um seinen Mann, MAN-Betriebsratschef Saki Stimoniaris, bei einer erneuten Wahl durchzubringen.

Nicht ausgeschlossen ist Variante drei: Frisches Geld trotz anhaltendem Gesellschafter-Streit. Reisingers Sparkurs wird auch e.V-intern durchaus kritisch gesehen, hinter vorgehaltener Hand war unlängst von einem taktischen Fehler die Rede. Denkbar, dass der Verein durchaus bereit ist, Kredite zu akzeptieren, sofern diese nicht von Ismaik stammen, auch neue Sponsoren sollen bereitstehen. Dass der Investor im Pokerspiel weich wird und anderweitig Geld zu Verfügung stellt, um Bierofka nicht im Regen stehen zu lassen – auch diese Möglichkeit wird diskutiert. Und schließlich die Option, bei der niemand nachgeben müsste: eine siebenstellige Beteiligung am Transfer des Dortmunder Ex-Löwen Julian Weigl, den Thomas Tuchel gerne nach Paris holen will. Merke: Wenn andere Klubs die Saison beenden, geht’s bei 1860 erst los. Wenn schon nicht auf dem Zaun, dann wenigstens auf den Barrikaden.

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