Bis zur Schmerzgrenze – und darüber hinaus

von Redaktion

Mit Schwerarbeit hat sich Shefat Isufi hochgekämpft: Jetzt will er als erster Boxer den WM-Titel nach München holen

München – Backsteine schleppen, Schnee schippen, Unkraut hacken – für den Münchner Boxer Shefat Isufi (27 Siege/3 Remis/2 Niederlagen – 20 K.o.) war das zehn Jahre lang Alltag. Der gebürtige Albaner mit serbischer Staatsbürgerschaft hat sich im wahrsten Sinne des Wortes „hochgeboxt“, ist ohne die finanzielle Unterstützung eines großen Boxstalls WBO-Europameister geworden und kämpft morgen gegen den britischen Skandalboxer Billy Joe Saunders (27 Siege, 0 Niederlagen, 13 K.o.), der zuletzt durch eine positive Dopingprobe und ein Prostituierten-Drogen-Video auf sich aufmerksam machte, um den Weltmeistertitel im Mittelschwergewicht.

Isufi kam als Jugendlicher nach München, ohne Geld und berufliche Perspektive. Sein Ziel: Profi-Boxer werden. Also jobbte der inzwischen 29-Jährige als Handwerker und Hausmeister, wanderte von Nebenjob zu Nebenjob. Nach der Arbeit ging es in den Trainingskeller des Onkels. Isufi selbst blickt ungern auf diese Zeit zurück: „Ich hab mich oft alleine gefühlt. Ich kannte wenig Leute in München, hatte Probleme mit dem Visum.“

Isufi wusste, dass es nur zwei Wege für ihn gibt: Handwerker oder Boxer. Aber ohne das nötige Kleingeld ist es schwer, professionell zu trainieren. „Ich musste mich von unten hochkämpfen – teilweise mit richtiger Drecksarbeit!“

In der Vorbereitung auf den Kampf in der Londoner Wembley Arena verpflichtete er Fitness-Guru Alfred Segerer. Der Konditionstrainer ist in der Szene als „harter Hund“ bekannt, coachte bereits Spitzensportler wie Arthur Abraham, Kati Wilhelm, Didi Hamann oder Alexander Zickler. Dabei ist der Ex-Bundeswehrfeldwebel berüchtigt für seine ebenso eisernen wie unkonventionellen Trainingsmethoden, die auch Isufi fit für Wembley machen sollen: Ausdauertraining in der Höhenkammer, Etappensprints im Englischen Garten oder Treppensteigen am Olympiastadion – und das bis zu zwölf Mal die Woche.

„Ich hab schon viele Boxer trainiert, manche mit unfassbarem Talent. Aber fast alle waren faul. Bei Shefat ist das anders. Er ist mit Herz und Seele dabei, geht bei jeder Trainingseinheit bis ans Limit“, sagt Segerer. „Er geht bis an die Schmerzgrenzen und darüber. Vielleicht hat er diese paar Prozent extra Motivation, weil er früh für seinen Traum hart arbeiten musste.“

Was Isufi noch von vielen anderen Boxern unterscheidet: Während ein Großteil der albanischen Boxer mit falschem Namen in den Ring geht, um mehr Sponsoren anwerben zu können, hat sich Isufi bewusst für das Festhalten am Familiennamen entschieden: „Ich weiß, dass meine Entscheidung ungewöhnlich ist, ich dadurch vielleicht schwieriger Promoter finde. Aber ich bin stolz auf meine Wurzeln. Genauso wie ich stolz bin, Münchner zu sein. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben.“ Deshalb kämpft der in Schwabing groß gewordene Boxer beim WM-Showdown unter deutscher Flagge. „Ich will die Leute hier stolz machen und als erster Boxer den Gürtel nach München holen.“

VINZENT TSCHIRPKE

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