„Du hörst keinen Mucks“

von Redaktion

BAYERN-BASKETBALL Marko Pesic über den Führungsstil des Trainers, die Playoffs und Uli Hoeneß

München – Am Samstagabend (20.30 Uhr) steigen die Basketballer des FC Bayern mit einem Heimspiel gegen Braunschweig ins Playoff-Viertelfinale der Bundesliga ein. Und obwohl sie schon jetzt eine verdammt anstrengende Saison hinter sich haben, zweifelt fast keiner daran, dass sie ihren Meistertitel verteidigen werden. Vor dem Playoffstart spricht Marko Pesic, 42, der Geschäftsführer der Bayern, über die große Belastung und ihre Folgen, den Führungsstil seines Trainers, einen Spieler, der seine Karriere in München beenden darf und die Abhängigkeit der Basketballer von Präsident Uli Hoeneß.

Herr Pesic, am Samstag beginnen die Playoffs, Ihre Basketballer spielen gegen Braunschweig. Wissen Sie, wie viele Pflichtspiele Braunschweig in dieser Saison bestritten hat?

34 in der Liga. Wie oft haben sie im Pokal gespielt? Einmal? Dann 35.

Fast. Es waren zwei Pokalspiele. Also 36. Und Ihre Mannschaft?

34 in der Liga plus 30 in der Euroleague plus zwei im Pokal. Also 66.

Stimmt. Das sind 30 Spiele mehr. Beunruhigt Sie das?

Nein, weil diese Mehrzahl an Spielen, die wir haben, ist ja ausschließlich durch die Euroleague entstanden. Und die Saison in der Euroleague hat uns als Verein immens weitergebracht. Man darf sich nicht über etwas beschweren, das einen weiterbringt.

Es werden in der nächsten Saison noch mehr Spiele sein. Die Euroleague stockt auf. Und dann gibt es ja auch noch die Nationalmannschaft. In diesem Sommer ist zum Beispiel noch die WM in China. Die Nationalspieler des FC Bayern spielen also fast ein Jahr durch. Kann das auf Dauer gut gehen?

Man muss heute viel mehr darüber nachdenken, wie man die Spieler entlastet. Wir waren in dieser Saison ständig in einer Vorbereitungsphase auf eine Belastung, da bleibt die Spielerentwicklung leider auf der Strecke. Wir müssen uns jetzt fragen, wie wir es trotz der großen Belastung schaffen, dass unsere Spieler physisch, technisch und taktisch besser werden. Bei den Spitzenvereinen in der Euroleague geht der Trend dahin, fertige Spieler zu haben, die dir Sachen garantieren. Das ist ein Problem.

Vor allem für die Jugendspieler im Verein, denen die Perspektive fehlt?

Wir haben jetzt zweimal hintereinander mit der U19 und der U16 das Top Four erreicht. Die Jungs haben Qualität, keine Frage. Wir müssen jetzt einen Weg finden, sie in die erste Mannschaft zu integrieren, gleichzeitig mit der ersten Mannschaft Erfolg haben und dann noch alle Spieler entwickeln.

Sie haben einen Vorschlag gemacht: Die Bundesliga muss verkleinert werden, um die Spitzenteams zu entlasten.

Ich habe das nicht nur gesagt, um Spieler zu entlasten, sondern auch, um die Liga zu stärken. In der Bundesliga müssen ab der kommenden Saison alle Vereine einen Mindest-Etat von drei Millionen Euro aufweisen. Vielleicht wird es mal Vereine geben, die dann bei der Lizenzierung auf der Strecke bleiben. Die Regeln haben aber alle Clubs zusammen beschlossen. Du musst dich als Verein wirtschaftlich weiterentwickeln, sonst schadet es irgendwann der Liga.

Also profitiert davon auch ein Verein wie Braunschweig?

Genau, gerade Braunschweig. Kontinuität in einem Verein ist etwas Schönes, aber Kontinuität kostet immer Geld. Um das zu stemmen, muss man sich eben entwickeln. Braunschweig hat gerade diese Kontinuität. Braunschweig vor zwei Jahren und Braunschweig jetzt ist ein ganz großer Unterschied. Und das zeigt sich auch am sportlichen Erfolg.

Der FC Bayern hat mehr Spiele bestritten als jeder andere deutsche Verein – und in der Bundesliga trotzdem nur dreimal verloren. Haben Sie Angst, dass Sie in der Liga bald unterfordert sind?

Es ist unsere Philosophie, dass wir nicht immer schauen, wie gut wir sind im Vergleich zu Berlin und Braunschweig oder auch zu Moskau und Madrid. Solche Quervergleiche sind Zeitverschwendung. Wir wollen immer morgen besser sein als heute. Und sicherlich sind wir in den vergangenen zwei Jahren besser geworden.

Sie haben den Vertrag mit Trainer Dejan Radonjic noch vor den Playoffs verlängert. Ein großer Vertrauensbeweis.

Du brauchst Kontinuität, vor allem auf der Trainerposition. Mit der Art und Weise, wie er das gemanagt hat, kann ich einfach nur zufrieden sein.

Wie hat er Sie überzeugt?

Mir gefällt einfach, wie die Mannschaft sich nach außen verkauft. In der ersten Euroleague-Saison in dem Format mit 30 Spielen war es eine Riesenherausforderung, alle Spieler zu managen. Ein Beispiel: Derrick Williams kommt in 95 Prozent unserer Spiele von der Bank. Das ist aber natürlich ein Spieler, der es eigentlich nicht kennt, von der Bank zu kommen. Du hörst aber keinen Mucks von ihm. Irgendwas ist ihm richtig erklärt worden. Es gibt klare Rollen, die jeder Spieler versteht.

Hat der Trainer die Spieler auch spielerisch weiterentwickelt?

Das ist sehr schwer zu beurteilen. Es bleibt, wie gesagt, einfach keine Zeit, individuell zu trainieren. Das wollen wir in der nächsten Saison besser machen. Auch dafür und für unsere Talente haben wir ja zum Jahresbeginn einen Individual-Coach verpflichtet. Unser Kapitän Danilo Barthel zum Beispiel hatte in der Euroleague schon größere Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden mit der Physis. Seitdem die Euroleague vorbei ist, hat er einen großen Sprung gemacht. Ist Danilo besser geworden? Natürlich. Aber ist das nur durch die Spiele in der Euroleague passiert oder auch durch das Training? Schwer zu sagen.

Nihad Djedovic spielt unter Radonjic die beste Saison seiner Karriere.

Klar, das liegt schon auch am Trainer. Beim letzten Trainer hat er die Rolle nicht gehabt.

Von Maodo Lo hätte man dagegen einen größeren Leistungssprung erwartet.

Maodo Lo ist ein interessantes Beispiel. Er ist 25 Jahre alt, als Basketballer aber eigentlich erst 21. Er spielt erst in seinem dritten Profijahr. Davor war er an einer Uni, wo das Niveau nicht so hoch war. Er wird von Jahr zu Jahr besser werden.

Radonjic wird vorgeworfen, dass er Stammspieler in der Bundesliga gegen schwächere Mannschaften zu selten geschont hat. Wie sehen Sie das?

Das kann auch mein Fehler gewesen sein. Wir haben vor der Saison sehr viel Wert auf die Bundesliga gelegt. Ja, man hätte mehr rotieren sollen. Aber in der ersten Saison, wo dir die Erfahrung fehlt, will man auch jedes Spiel richtig spielen, vor allem auswärts. Das wollen wir in Zukunft sicherlich ein bisschen weiterentwickeln.

Ab 2021 – wenn Sie in die neue Halle ziehen – wollen Sie in der Euroleague ein Playoff-Team sein. Was fehlt momentan noch?

Es fehlen die drei Jahre, diese drei Jahre Erfahrung. In unseren ersten drei Bundesligajahren mussten wir uns auch erst anpassen. In der ersten Saison haben wir, glaube ich, elf Auswärtsspiele in Serie verloren. Wenn du in die Playoffs willst, musst du bei Olympiakos Piräus, Maccabi Tel Aviv und Darussafaka Istanbul gewinnen. Dafür brauchst du Erfahrung – und eine gewisse Qualität. Als Stefan Jovic verletzt war, hat uns auf der Position eins diese Qualität gefehlt. Die Erfahrung musst du erst mal machen.

Neun Spielerverträge laufen aus. Wie viel wird sich am Kader verändern?

Wir sind gut damit gefahren, den Kern der Mannschaft zusammenzuhalten und punktuell zu verstärken. Wir sind aber auf einem Markt, wo wir schauen müssen, wie weit wir finanziell mitgehen können. Das versuchen wir gerade herauszufinden.

Es gibt wenige Spieler, die auf Euroleague-Level den Unterschied machen können. Warum sollten sie zum FC Bayern wechseln? Andere Spitzenclubs können mehr Geld zahlen.

Man muss ein bisschen flexibel sein. Wir haben mit Derrick Williams einen Spieler geholt, den keiner haben wollte. Auf diesem Niveau werden wir sicher manchmal Risiken eingehen müssen. Williams war ein Risiko, wenn auch finanziell kalkulierbar, weil er nicht so auf das Geld geschaut hat. So müssen wir weitermachen, bis wir finanziell mit den anderen mitgehen können.

Ihr Schlüsselspieler ist Vladimir Lucic. Auch sein Vertrag läuft aus. Wird er bleiben?

Ich mach’ kein Geheimnis daraus, dass er für mich der MVP (Most Valuable Player; d. Red.) der Liga ist. Ich habe seit Henrik Rödl keinen Spieler gesehen, der eine Mannschaft so zusammenhält. Egal, ob die Schulter oder der Fuß wehtut, er gibt 100 Prozent. Er ist ein sehr wichtiger Spieler, der gerne seine Karriere hier beenden kann. Das liegt aber nicht nur am Verein, sondern auch am Spieler und am Markt, den es für ihn gibt.

Sie sagten neulich, dass der Etat der Basketballer erhöht werde. Präsident Uli Hoeneß aber sagte, er denkt nicht, dass das möglich sein wird. Wer hat jetzt recht?

Es kann schon sein, dass das nicht möglich sein wird. Aber ich bin mir sicher, dass wir den Etat ein bisschen erhöhen können. Daran arbeiten wir. Ich glaube, dass das auch den Präsident freuen würde.

Fürchten sie sich vor dem Tag, an dem Hoeneß als Präsident aufhört?

Es ist doch klar, dass er irgendwann aufhört, wann auch immer das sein wird. Er ist aber jetzt und heute eine große Unterstützung, das ist immens wichtig. Beim FC Barcelona ist es auch wichtig, dass Präsident Bartomeu die Basketballer unterstützt und nicht gegen sie arbeitet. Ich fürchte mich nicht, aber ich kann schon einschätzen, wie wichtig er für uns ist.

Als Hoeneß im Gefängnis war, haben die Basketballer ein wenig gelitten. Das gibt er selbst zu.

Als er nicht da war, war es eine ganz andere Situation, als sie jetzt ist. Aber auch in der Zeit haben wir uns entwickelt. Obwohl wir sicherlich nicht die Unterstützung wie davor und jetzt gehabt haben.

Ist die Abhängigkeit von ihm zu groß?

Wir sind nicht in Ulm, wo es nur die Basketballer gibt und sonst nichts. Wir sind ein Teil von etwas Großem – und zwar nicht der Hauptteil. In diesem Konstrukt ist es sehr wichtig, dass der Präsident, egal wie er heißt, uns unterstützt.

66 Pflichtspiele haben Sie schon bestritten. Jetzt beginnen die Playoffs. Wie viele kommen noch dazu?

Maximal 15.

Man kann auch mit neun den Titel gewinnen.

Neun Spiele kann aber auch heißen, dass wir nicht Meister werden. Ich sag’ mal so: Ich hoffe auf neun Siege. Oder 15 Spiele – dann müssen wir das letzte aber gewinnen.

Interview: Christopher Meltzer

„Ja, man hätte mehr rotieren sollen. Das wollen wir weiterentwickeln.“

„Als Uli Hoeneß nicht da war, war es eine ganz andere Situation“

Artikel 2 von 11