Kreuzverhör im Segelboot

von Redaktion

Mit Feingefühl und Nachdruck lenkt Teresa Hemmeter die Crew des Bayerischen Yacht-Clubs

VON CHRISTIAN HEINRICH

Starnberg – Als sie noch Kinder waren, legten ihre Eltern großen Wert darauf, dass sie miteinander zum Segeln gehen. Inzwischen sind Veit und Teresa Hemmeter erwachsen und sitzen immer noch gemeinsam in einem Boot. „Es ist so, dass wir aufeinander aufpassen“, beschreibt die Schwester die Rollenverteilung unter den Geschwistern als absolut gleichberechtigt. Der zwei Jahre ältere Bruder hält zwar das Steuer beim Bundesliga-Team des Bayerischen Yacht-Clubs in der Hand, doch die 29-Jährige führt insgeheim das Kommando an Bord. Beide brauchen sich gegenseitig.

Welchen Faktor eine Frau im gruppendynamischen Prozess einer Crew spielt, ist in der höchsten deutschen Segelklasse noch ein wenig beachtetes Phänomen. Wenn heute in Konstanz der zweite Spieltag der Saison beginnt, steigen bei den 18 Erstligisten nur fünf Frauen in die Boote. Am höchsten ist die Quote unter den drei Vereinen vom Starnberger See.

Der Deutsche Touring Yacht-Club baut auf Monika Linder, der Münchner Yacht-Club auf Caro Heine und die Bayern eben auf Teresa Hemmeter. In den meisten anderen deutschen Clubs ist Segeln dagegen immer noch reine Männersache. „Ich fühle mich nicht mit Samthandschuhen angepackt“, erklärt Hemmeter. Das war schon in ihrer Kindheit so, als sie der große Bruder mit zum Fußball auf den Bolzplatz nahm.

Dass die Juristin für Wirtschaftsrecht eine streitbare Persönlichkeit ist, die mit Nachdruck ihre Ziele verfolgt, haben ihre drei Teamkollegen bereits häufig erlebt. „Die Jungs kriegen öfters mal von mir einen Einlauf auf dem Wasser“, stellt sie klar, dass es hart werden kann, wenn sie mit ihren Gefährten ins Kreuzverhör geht.

An Bord bevorzugt die Advokatin allgemein das spitze Florett als rhetorische Waffe, das sie jedoch selten zum Einsatz bringt. Oft ist es hilfreicher, Diskussionen resolut zu beenden, als sie in Endlosschleife zu führen. Da sie ihr Team genau kennt, bemüht sie sich, der verbindende Kitt zwischen den Kollegen zu sein.

Sie weiß, dass der Taktiker Jan Nürnberger ein absolut ruhiger Zeitgenosse ist und Leopold Lindner im Vorschiff der geborene Diplomat mit der Attitüde zum väterlich Präsidialen. Und ihren Bruder kennt sie schon ein Leben lang. „Ich weiß, wie ich mit ihm sprechen muss, wenn er nervös oder unkonzentriert ist“, sagt sie. Und sie selbst? „Ich bin der Ruhepol“, beschreibt sie ihre Rolle. Nicht im Zuspitzen, sondern im Vermitteln besteht ihre Aufgabe.

Als Trimmerin verfügt Hemmeter über ein natürliches Feingefühl für das Segel und den Wind. Sie spürt, wie sich das Boot im Wasser bewegt und liefert wertvolle Informationen an die Crew. Wie ein Seismograph nimmt sie auch die Stimmung an Bord wahr und weiß sie zu deuten. „Vorausschauend segeln“, nennt sie das. Irgendwie hat sie es verinnerlicht, immer zu wissen, woher der Wind weht.

Zum Saisonauftakt in Starnberg spürte sie jedoch, dass Worte allein nicht weiterhalfen, um ein Problem aus der Welt zu schaffen. Ihre Mannschaft war niedergeschlagen. Am Abend des zweiten Tages dümpelte sie nur auf dem zwölften Platz. Der Crew waren Fehler unterlaufen, die sie sonst nie macht. Weil es der gemeinsame Wunsch von allen war, gingen die vier Segler am Abend erstmals getrennte Wege, seit sie sich im vergangenen November zu einem Quartett formiert hatten.

Als sie sich am Sonntagmorgen wieder trafen, war das Gestern auf einmal bedeutungslos. Die Bayern starteten eine Serie, die sie noch auf Rang drei katapultierte. „Wir haben gelernt, dass man nicht aufgeben darf“, lautete Hemmeters wichtigste Erkenntnis.

Es war vielleicht die letzte gemeinsame Erfahrung, die dem harmonischen Team noch gefehlt hat, um sich den großen Traum von der Meisterschaft zu erfüllen. „Es ist ein großes Ziel“, räumt Hemmeter ein, „wir wollen es auf jeden Fall schaffen.“ Um es zu erreichen, wird sie aufpassen müssen: auf Leopold Lindner sowie Jan Nürnberger und auf sich und ihren Bruder. Aber das ist sie ja von Kindesbeinen an gewohnt.

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