Mit dem Ebbelwei-Express zurück nach Europa

von Redaktion

Zum 10. Mal fahren Fans von Eintracht Frankfurt in einer Münchner Tram voller Apfelwein zum Spiel beim FC Bayern

VON THOMAS STILLBAUER

München – Ganz spät am Abend wäre es beinahe noch rabiat geworden, kürzlich im Augustiner Bürgerheim. Da kam um Mitternacht ein entnervter Nachbar in die Münchner Gastwirtschaft herunter, Familienvater, durchaus mit Toleranz ausgestattet, und erklärte den versammelten Eintracht-Fans: „Wir leiden mit euch, ehrlich, aber jetzt muss auch mal Ruhe sein!“ Verständliches Anliegen. Nur kein sehr guter Zeitpunkt. Gerade hatten die Frankfurter zwei Elfmeter in London gegen den FC Chelsea verschossen. Die fabelhafte Europareise war beendet, der Frust immens. Ein paar Trotzgesänge wollten halt noch raus.

In dieser Saison ist sie besonders laut, die Parallelgesellschaft, die sich im Münchner Westend trifft, wenn der Frankfurter Fußball-Bundesligist spielt. 40, oft 80, manchmal 150 Fans treffen sich dann in der Vereinsgaststätte des Eintracht-Fanclubs Adler München, singen, jubeln, trinken Apfelwein, freuen sich über die tolle Europacup-Saison. Einmal im Jahr aber drängen sie nach draußen: Dann fahren sie mit dem „Ebbelwei-Express“, so benannt nach einer legendären Frankfurter Touristenattraktion, durch die Stadt zum Sendlinger Tor. Der Termin versteht sich von selbst: Wenn die Eintracht zum Auswärtsspiel beim FC Bayern antritt, also an diesem Samstag.

Dann rollt der Express bereits zum zehnten Mal, eine gecharterte, mit Vereinssymbolen geschmückte Tram. „Das Beste sind die erstaunten Blicke der Leute, wenn wir über die Maximilianstraße oder am Stachus vorbeifahren“, sagt Fanclub-Präsident Tom, gebürtiger Hanauer, seit gut zehn Jahren in München. „Wir feiern im Express mehr als die Bayern, wenn sie einen Titel gewonnen haben.“ Dabei gibt es traditionell eher wenig zu feiern für die Frankfurter beim Gastspiel an der Isar. Auch heuer zum Saisonfinale liegt die Favoritenrolle klar beim Serienmeister. Aber immerhin: Es fließt reichlich Apfelwein. Und voriges Jahr kam sogar Peter Fischer, der spektakuläre Eintracht-Präsident, der immer für eine feurige Ansprache gut ist. Die Adler verloren trotzdem.

Gesungen wird im stets rappelvollen Ebbelwei-Waggon. Und gehüpft, wenn man kein Offenbacher ist. „Aber nur bei sehr langsamer Fahrt“, sagt Tom mit einem Zwinkern. Die Entgleisungen sollen im für Fußballfans üblichen Rahmen bleiben.

120 Leute passen in die Tram, etwa ebenso viele Mitglieder hat der Münchner Eintracht-Fanclub. Ursprünglich mit einer Handvoll Exil-Frankfurter gestartet, wuchs die Gruppe immer mehr, bis sie die frühere Stammkneipe „Bei Maria“ am Isartor praktisch sprengte. Ohnehin mussten da immer erst die Möbel hinausgetragen werden. Erstens aus Platzgründen, zweitens „für die Stehplatz-Atmosphäre“, erzählt Fan Berthold, seit 31 Jahren in München.

Der Umzug ins Bürgerheim löste die Platzprobleme freilich nur bedingt. An den Tagen, wenn Schalke 04 und die Eintracht gleichzeitig spielen, müssen sich Adler und Knappen die Wirtschaft teilen. Diesmal werden die Frankfurter ausweichen in die Gaststätte San Remo nach Sendling. Aber die meisten werden eh im Stadion sein.

Die Fahrt mit der Apfelwein-Tram an diesem Samstag ist längst ausgebucht, auch aus Frankfurt und Stuttgart kommen Fans. Inwieweit sie in der nächsten Saison wieder europäische Eintracht-Nächte in München feiern können, wird sich in der Allianz-Arena erweisen. Dahin fahren sie aber nicht mit dem „Ebbel-Ex“. Den stellen sie am Sendlinger Tor ab. Der Fahrer vom Münchner Verkehrsverbund mag die Eintracht offenbar auch. Er ist seit Jahren derselbe.

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