Kovac’ Zukunftsaussichten

Fragile Harmonie

von Redaktion

ELISABETH SCHLAMMERL

Karl-Heinz Rummenigge, das steht außer Zweifel, hat viel Erfahrung mit Bankettreden. Er hält sie nach jedem Auswärtsspiel in der Champions League und jedem Pokalfinale. Auch bei der Meisterfeier vor gut einer Woche hat er ein paar Worte gesprochen. Womöglich legt er sich seine Sätze deshalb nicht vorher zurecht, sondern er sagt, was ihm gerade einfällt – und da kann es schon mal passieren, dass er etwas vergisst. Am Samstag in der Hauptstadtrepräsentanz des Sponsors redete Rummenigge zwar zweimal den Trainer mit „lieber Niko“ an, aber beim Dank erwähnte er die medizinische Abteilung, nicht aber Kovac und sein Team. Das lässt nur zwei Erklärungen zu. Entweder der Vereins-Boss hat den Trainer tatsächlich vergessen, das wäre angesichts der vielen Diskussionen in den vergangenen Wochen ein unverzeihlicher Fauxpas – oder aber er tat dies mit voller Absicht. Beides nährt die Spekulation, dass das Verhältnis von Rummenigge zu Kovac nicht ganz ungetrübt ist. Vorsichtig ausgedrückt.

Konsequenzen wird es keine haben für den Job von Kovac. Vorerst. Denn falls es tatsächlich Überlegungen gegeben hatte, im Laufe der Rückrunde den Vertrag mit dem Trainer vorzeitig zu lösen, dürfte es in der Münchner Chefetage schon vor dem Pokalsieg klar gewesen sein, dass dies nur schwer zu vermitteln wäre. Nun, nach dem Double-Gewinn, ist es sogar unmöglich. Die Argumente für Kovac – zwei Titel und einer Rückrunde mit nur zwei Niederlagen in allen drei Wettbewerben – wiegen sehr viel schwerer als die gegen ihn, zu dem vor alle das frühe Aus in der Champions League mit mutloser Spielidee gehört. Zudem stehen die Fans hinter ihm.

Aber es bleibt eine fragile Harmonie, zu fragil. Die Situation von Kovac vor seiner zweiten Saison erinnert ein wenig an die Carlo Ancelotti im Sommer 2017. Die Bayern hatten damals nach der Meisterschaft an dem Italiener festgehalten – trotz größter Bedenken der Verantwortlichen, und auch der Spieler. Einen Monat nach Beginn der neuen Saison war Ancelotti aber Geschichte, entlassen nach einer Klatsche bei Paris St. Germain – und der Rekordmeister musste in einer Saison, in der der Umbruch angeschoben werden sollte, erst einmal improvisieren.

Kovac geht angezählt in die neue Saison. Sollte der Auftakt nicht laufen wie bei den Bayern erwartet, also nicht mit einer Siegesserie, beginnen die Diskussionen von Neuem. Ob die der Trainer dann noch einmal übersteht, ist fraglich. Wohl eher nicht.

Elisabeth.Schlammerl@ovb.net

Artikel 1 von 11