Genf/Paris – Die Erleichterung, die Alexander Zverev im Augenblick des Sieges überkam, war nicht zu übersehen. Er legte den Kopf in den Nacken, er jubelte fast ein wenig verhalten, so, als müsste er erst einmal die schwere Last abfallen lassen, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten auf ihn gelegt hatte. Kurz darauf küsste er zärtlich den Pokal, den er am Ende eines langes Tages als Sieger des kleinen 250er-Turniers in Genf überreicht bekommen hatte.
„Mein elfter Titel, es ist eine tolle Reise“, sagte Zverev in seiner Dankesrede nach einem hart umkämpften 6:3, 3:6, 7:6 (10:8) gegen den Chilenen Nicolas Jarry. Zweimal musste Zverev im Tiebreak einen Matchball abwehren gegen die Nummer 75 der Weltrangliste, bei seinem vierten ging der Krimi, der zweimal durch eine jeweils 90-minütige Regenpause unterbrochen war, dann zu Ende. Fair sagte er danach zum untröstlichen Jarry: „Du hast es mehr verdient, diesen Titel zu gewinnen als ich.“
Auch Zverev verdiente freilich Respekt. Sein Spiel ist mit dem Beginn der French Open, bei denen der Weltranglistenfünfte heute auf den Australier John Millman trifft, nach wie vor stark verbesserungswürdig. Auch die Gegner in Genf waren keine Hochkaräter. Was jedoch im ältesten Tennis-Club der Schweiz imponierte: Zverev kämpfte, er wollte, so schien es, diesen Turniersieg erzwingen, allen Widrigkeiten zum Trotz. In seinen drei letzten Matches musste er dafür jeweils über drei Sätze gehen.
Zverev reiste folglich mit Rückenwind nach Paris. „Ich weiß, dass ich einer der besten Spieler der Welt sein kann, wenn ich meinen Rhythmus finde“, sagte er beim Abschied aus der Schweiz: „Und diese Woche hat mir dabei definitiv geholfen.“ Wie weit ihn das jetzt in Roland Garros bringt, bleibt abzuwarten. Vor einem Jahr hat er auf der roten Asche am Bois de Boulogne das Viertelfinale erreicht – sein bestes Resultat bei einem Grand Slam, aber kein Ausdruck seiner Fähigkeiten.
Ein Stimmungsaufheller ist sein mittlerweile fünfter Turniersieg auf Sand für Zverev aber allemal, und in gewisser Weise hat er dies auch Rainer Schüttler zu verdanken: Der Coach von Angelique Kerber ist Turnierdirektor in Genf und hatte den seit Monaten kriselnden Zverev eine Viertelstunde vor Meldeschluss angerufen und gefragt, ob er denn nicht mitspielen wolle. „Vielen Dank, dass ihr mich eingeladen habt“, sagte er nun: „Ich hatte nicht viel Zeit zu überlegen. Aber es war eine tolle Woche.“ sid