Berlin – Dieses Mal gab Manuel Neuer die Trophäe nicht sofort wieder aus den Händen. Als der Kapitän des FC Bayern den DFB-Pokal am Samstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht bekam, mussten die Kollegen warten. Er reckte ihn in die Höhe und hüpfte noch ein paar Sekunden mit ihm auf dem Siegerpodest auf und ab. Eine Woche zuvor hatte Neuer die Meisterschale sofort Franck Ribery und Arjen Robben überlassen, den scheidenden Flügelspielern, als Geste der Wertschätzung für ihre großen Leistungen beim FC Bayern.
Für Neuer hatte der Triumph von Berlin eine besondere Bedeutung. Anders als im Vorjahr schaffte er dieses Mal das Comeback beim Pokalfinale. Die Rückkehr beim letzten Pflichtspiel der Saison nach sechswöchiger Verletzungspause bezeichnete er deshalb als „Punktlandung“.
Eine Punktlandung mit Ausrufezeichen, denn beim 3:0 bot der 33-Jährige eine famose Leistung. „Wir hatten einen Giganten im Tor“, sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge. „Besser kann man nicht spielen.“ Als der Münchner Keeper Yussuf Poulsens Kopfball mit einem unglaublichen Reflex an die Querlatte lenkte, verhinderte er einen frühen Rückstand, mit seiner Parade gegen Emil Forsberg zu Beginn der zweiten Halbzeit den Ausgleich. „Er hat uns in zwei Situationen im Spiel gehalten“, sagte Trainer Niko Kovac. „Das ist das, was man auf diesem Niveau braucht.“
Vor einem Jahr war Neuer ebenfalls im Pokalfinale zurückgekehrt, aber nicht ins Tor der Münchner, nur in den Kader. Der Kapitän hatte damals fast die gesamte Saison wegen eines komplizierten Mittelfußbruchs pausieren müssen, und Trainer Jupp Heynckes war das Wagnis zu groß gewesen, in einem Endspiel auf einen Torhüter ohne Spielpraxis zu bauen. „Es war natürlich bitter, dass ich im letzten Jahr für das Pokalendspiel ausgefallen bin“, sagte Neuer. „Ich mag diesen Wettbewerb, ich mag das Finale in Berlin.“
Kovac sah dieses Mal ein überschaubares Risiko, den Mann zwischen den Pfosten zu wechseln. Neuer hatte wegen seiner Wadenverletzung, erlitten beim Bundesligaspiel in Düsseldorf Mitte April, nur sechs Partien verpasst. „Ich habe gut trainiert, ich war bereit – auch vom Kopf her“, sagte der Bayern-Kapitän. „Der Trainer vertraut mir, die Mannschaft vertraut mir.“ Neuer fand, „besser hätte man das Drehbuch nicht schreiben können“.
Der Weltmeister-Torhüter von 2014 hat mit seiner Leistung auch ein Zeichen Richtung Joachim Löw gesetzt – sowie seinem Herausforderer vom FC Barcelona, Marc-Andre ter Stegen. Der Bundestrainer hatte ihn für die bevorstehenden EM-Qualifikationsspiele in Weißrussland (8. Juni) und gegen Estland (11. Juni) nur unter Vorbehalt nominiert, wollte abwarten, „wie der Heilungsprozess in den nächsten Wochen voranschreitet“. Löw konnte sich am Samstag auf der Tribüne des Berliner Olympiastadions persönlich davon überzeugen, dass seine Nummer eins fit ist –- und in großartiger Form.
Das Pokalfinale gegen RB Leipzig war sicher Neuers persönlicher Höhepunkt nach einer Spielzeit, die er aber besser bewertet als seine Kritiker. „Ich habe auf keinen Fall eine schlechte Saison gespielt“, sagt er mit Nachdruck: „Ich habe eine gute Saison gespielt.“ Das Beste hat er sich aber für den Schluss aufgehoben.