Ein Dorfkicker in der Champions League

von Redaktion

Außenbahnspieler Robin Gosens, 24, vom Niederrhein schreibt mit Atalanta Bergamo ein Fußball-Märchen

Bergamo – Auf den Straßen von Bergamo war die Hölle los. Als der Mannschaftsbus die Helden von Bergamo in der Nacht zum Montag um 2.30 Uhr in der Heimat absetzte, war noch kein Fan schlafen gegangen. Bengalische Feuer, stolze Gesänge, ungläubiger Jubel – die Schwarz-Blauen feierten ihr historisches Champions-League-Märchen – und auch einen früheren „Dorf-Kicker“ vom Niederrhein.

Robin Gosens, 24, aus Emmerich im Großraum Düsseldorf erlebte mit der erstmaligen Qualifikation von Atalanta Bergamo für die Königsklasse den Höhepunkt seiner ungewöhnlichen Karriere. „Champions League, Champions League!“, brüllte er nach dem entscheidenden 3:1-Sieg gegen Sassuolo immer wieder in die Kamera. Dabei hatte er als 18-Jähriger noch „besseren Bauernfußball“ gespielt, wie er in einem Interview mit dem Magazin „11 Freunde“ erzählte.

Der deutsche Außenbahnspieler steht sinnbildlich für die Mannschaft von Gian Piero Gasperini, dem Erfolgstrainer des italienischen Pokalsiegers von 1963. Ohne die ganz großen Namen, ohne großes Geld schloss Bergamo die Saison in der Serie A auf dem dritten Platz ab – vor den beiden Topclubs aus Mailand (Inter, AC) oder AS Rom. „Es ist ein großer Sieg für diese Menschen, für die Gesellschaft und für diese wundervollen Jungs“, sagte Gasperini, der seiner Mannschaft auch in der Champions League gute Auftritte zutraut.

Das gilt auch für Gosens, dessen Laufbahn eine erstaunliche Entwicklung nahm. Er durchlief keine Nachwuchsakademie, spielte in der Jugend lange beim VfL Rhede, einem unterklassigen Verein in Nordrhein-Westfalen. Sein Talent fiel zwar auch Borussia Dortmund auf, doch ein Probetraining wurde zum Reinfall. „Ich wurde überrannt. Ich habe mich die ganze Zeit hilflos umgeguckt und hatte keinen Schimmer, wo ich hinlaufen soll“, berichtete er: „Unter dem Strich ein Fiasko.“

An eine Zukunft als Fußballprofi dachte Gosens schon gar nicht mehr, da legte er nach einer durchzechten Nacht ein eindrucksvolles Spiel vor den Augen eines Scouts von Vitesse Arnheim hin. Nach fünf Jahren in den Niederlanden folgte 2017 der Wechsel nach Italien. In der abgelaufenen Saison war Gosens Stammspieler und stand auch beim Heimspiel in Sassuolo 90 Minute auf dem Rasen. Das Austragungsrecht hatte Atalanta dem Ligarivalen überlassen, das heimische Stadion wird renoviert.

Gosens, Psychologie-Student an einer Fernuni, fühlt sich in Bergamo pudelwohl. Noch bis 2020 ist er an den Klub gebunden, die Perspektiven sind nach dieser Saison bestens. Doch im Hinterkopf hat er auch die Heimat. „Die Bundesliga wird immer mein absolutes Traumziel bleiben“, sagte er zuletzt dem WDR: „Wenn ich einmal in einem solchen Stadion auflaufen darf, wäre das alles für mich.“ In der Champions League kann es schon nächste Saison soweit sein.

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