Sprachprobleme am Leberkässtand

von Redaktion

Auf der Schießanlage in Garching-Hochbrück findet gerade der „größte Weltcup in der Geschichte“ statt – ein Rundgang

Garching-Hochbrück – Auf der Olympiaschießanlage in Garching-Hochbrück, im Norden von München, steht in diesen Tagen, zwischen grauen Containern versteckt, ein kleiner, weißer Imbisswagen aus dem hinter einer Glastheke eine alte Frau mit grauen Haaren herausgrinst. „The next please“, sagt sie. Vor ihr stehen mittelgroße Stückchen Kuchen und mittelgroße Semmeln, mit Käse und Schinken. Und beim „Onkel Sepp“, so heißt der Imbisswagen, verkaufen sie, logisch, auch Leberkäse.

Auf der Olympiaschießanlage in Garching-Hochbrück haben sich in diesen Tagen übrigens auch die besten Sportschützinnen und Sportschützen zum Weltcup verabredet. Und es sind tatsächlich so viele gekommen – 902 Athleten aus 96 Nationen –, dass Gary Anderson, der Technische Delegierte des Weltschießverbandes ISSF, glatt gesagt hat: „Es ist der größte Weltcup in der Geschichte der ISSF.“ Nun gibt es solche Weltcups schon eine ganze Weile, alleine in München seit 1986 fast jährlich, so international wie jetzt soll es bislang noch nie zugegangen sein. Um das zu überprüfen, kann man sich auch einfach für ein paar Minuten vor den „Onkel Sepp“ stellen.

Am Montagmittag, gerade hat Zhonghao Zhao aus China das Finale mit dem Kleinkalibergewehr gewonnen, verlassen die Zuschauer die Halle und stellen sich am Imbisswagen an. „The next please“, sagt die alte Frau mit den grauen Haaren also. Sie versucht es immer mit Englisch, manchmal hilft ihr aber auch das nicht. Jetzt, zum Beispiel, steht eine junge Frau in der ersten Reihe, ihre Trainingsjacke verrät, dass sie aus Südkorea kommt. Sie zeigt mit ihrem Finger auf eine Wasserflasche, die alte Frau holt eine frische, als die Südkoreanerin diese aber anfasst, schüttelt sie ihren Kopf. Die Frau im Wagen zieht eine neue unter der Theke hervor, die Schützin fasst sie an, nickt, schon besser so, warum auch immer. Dann sind zwei Frauen aus China dran, wieder wird nur mit den Fingern kommuniziert. Eine zeigt auf die Eiskarte: ein Cornetto, ein Flutschfinger, das ist einfach zu verstehen. Als Nächstes ein US-Amerikaner, sehr höflich: „Hi there“, sagt er, „one of these, please.“ Er zeigt auf die Karte, da steht: „Roasted meatloaf in a roll.“.So international geht es in Hochbrück zu: Man hat dort sogar das Wort Leberkässemmel übersetzt.

Der Leberkässtand ist natürlich nicht der einzige Ort, an dem man feststellen kann, wie viele Nationen auf der Schießanlage gerade zusammentreffen. Es geht bis hin zu den vielen Schießständen. In der Elimination-Runde der Kleinkalibergewehrschützen schossen in derselben Runde Sportler aus: El Salvador, der Mongolei, dem Oman, Saudi Arabien, Kenia und auch Costa Rica. Nur bei den Siegerehrungen geht es nicht so multikulturell zu. An den ersten zwei Wettkampftagen räumten Indien und China zusammengezählt acht von zwölf Medaillen, samt aller goldenen. Die zwei Top-Nationen haben die meisten und auch besten Starter geschickt, was das Niveau, das beim Weltcup in München grundsätzlich sehr hoch eingestuft wird, noch einmal gesteigert hat. Darunter leiden in diesem Jahr unter anderem die Deutschen. Maxi Dallinger, der Gewehrschütze aus Lengdorf, sagt: „Die Trauben hängen hier einfach höher. Man braucht immer zwei, drei Ringe mehr.“ Er hatte sie zumindest am Montag nicht. In der Qualifikation schied er als 45. aus. An den ersten zwei Tagen erreichte von den Deutschen nur Doreen Vennekamp ein Finale: mit der Sportpistole.

In jenem Endkampf offenbarte sich noch eine Besonderheit des Schießsports. Um Platz eins duellierten sich die Ukrainerin Olena Kostevych, die aussieht, als könnte sie auch einen Triathlon problemlos meistern und die Inderin Rahi Sanorbat, der man das eher nicht zutraut. Gewonnen hat dann Sanorbat. Oder anders ausgedrückt: Es kann beim Schießen auch gewinnen, wer gerne mal „Roasted meatloaf in a roll“ verdrückt. CHRISTOPHER MELTZER

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