Der Fußballtrainer Dieter Hecking gilt als Inbegriff der Solidität. Ein harter Handwerker (war er schon als mittelbegabter Stürmer), seriös, zielstrebig, kompetent. Auf diese Weise verrichtete der 54-Jährige stets Wertarbeit. 2011 verhalf er dem 1. FC Nürnberg auf den 6. (!) Tabellenplatz, für fränkische Maßstäbe ein kleines Wunder. Mit dem VfL Wolfsburg wurde Hecking gar Pokalsieger (2015), Vize-Meister, Trainer des Jahres. Erst ein halbes Jahr ist es her, dass er im ZDF-Sportstudio gefragt wurde, ob er denn nicht Bundestrainer werden wolle. In den zurückliegenden 15 Bundesligajahren betreute Hecking – obwohl durchgehend in Festanstellung – nur fünf Clubs. Auch diese Bilanz spricht für Heckings höchst ungewöhnliche Konstanz. Dass ihm der ja grundsätzlich als tüchtig und vernünftig geltende Max Eberl – trotz Platz 5 und vorzeitiger Vertragsverlängerung – den Laufpass gab, ist in dieser Karriere eher als unverschuldeter Unglücksfall einzustufen. Zum Saisonende erlebte man den sonst so nüchtern und ernsthaft wirkenden Erfolgscoach erstmals als bittere Tränen vergießenden Gefühlsmenschen. Nun aber kommt eine neue, unerwartete Charakterfacette hinzu: In Dieter Hecking wohnt offenbar auch die Neigung zum Masochismus.
Anders ist es wohl nicht schlüssig zu erklären, warum Hecking, der etablierte, honorige Erstligatrainer, den dauerkrisengeschüttelten Zweitligisten Hamburger SV als neuen Arbeitgeber auswählte. Sicher, die Hanseaten waren einst eine noble Adresse. Aber das ist lange her. Das vergangene Jahrzehnt stand ganz im Zeichen des unaufhaltsamen Niedergangs. Die hohen Ansprüche entpuppten sich als Größenwahn, Millionen wurden auf dem Transfermarkt verbrannt, der HSV verwandelte sich in einen Chaosclub, der nicht einmal in der Lage ist, in der Zweitklassigkeit positiv aufzufallen. Fast hat es den Anschein, als seien die Hamburger drauf und dran, zum unheilbaren Problemfall zu werden. Gerade in München gibt es in dieser Hinsicht ein erschreckendes Beispiel für einen nachhaltig beschädigten Ex-Meister (Trikotfarbe: ebenfalls blau), der trotz massenhaften Fan-Rückhalts einfach nicht mehr auf die Beine kommt.
Der wackere Westfale soll also den vom jahrelangen Frust ausgelaugten und entnervten HSV wiederbeleben. Eine vom hohen Risiko des Scheiterns geprägte Mission. Fast ein Himmelfahrtskommando. Dem guten Hecking hätten wir Erfreulicheres gewünscht.
Armin.Gibis@ovb.net