Der Chinese ist ja bekannt für weise Sprüche. Wobei es nicht immer ratsam ist, sie zu befolgen. „Töte keinen Ackerbüffel, wirf beschriebenes Papier nicht weg“, ist eine Empfehlung, die wir zur Hälfte gerne umsetzen. Aber sollen wir wirklich all das beschriebene Papier, das sich zumindest seit dem letzten Umzug angesammelt hat, bis an unser Lebensende behalten? Als wir gerade wieder mal versuchten, zumindest ein bisschen auszumisten, ist uns ein gewichtiges Argument untergekommen, es doch mit den Chinesen zu halten. Wir haben nämlich ein fast 40 Jahre altes Interview mit Kalle Rummenigge gefunden, einen recht spannenden Beleg dafür, wie sehr sich Menschen, Werte und Ansichten ändern können.
Rummenigge, damals noch, wie niedlich, „Rotbäckchen“ genannt, hatte sich mit der Versuchung zu beschäftigen, dem Lockruf des großen Geldes zu folgen. Eine kolportierte Ablöse zwischen sieben und zwölf Millionen Mark(!) wollte der FC Barcelona auf den Tisch legen. „Hier habe ich Erfolg, verdiene auch nicht schlecht, sodass ich den Sport dem großen Geld in Spanien vorziehe“, hat er gesagt. Was so irgendwie gar nicht in das Bild passt, das Rummenigge heute von sich zeichnet, als eiskalt kalkulierender, rein an Gewinn und Profit ausgerichteter Vorstandsboss des Großclubs FC Bayern, dem es darum geht, sportlichen Ruhm und vor allem Geld zu mehren. Und sei es auf Kosten des Fußballs, den wir mal so geliebt haben.
Noch krasser wird es, wenn man liest, dass der junge Rummenigge damals das Transfergebaren der Katalanen als „Menschenhandel“ gegeißelt hat, „mit ein Grund, der mich abgestoßen hat, nach Barcelona zu wechseln“. Manchmal, so scheint es, erinnert er sich noch an einstige Prinzipien, so letzten Herbst, als er in dieser denkwürdigen Pressekonferenz Artikel eins des Grundgesetzes zitierte, nach dem die Würde des Menschen unantastbar sei. Was er dann allerdings ziemlich schnell wieder vergaß, wie sein nicht allzu würdiger Umgang mit dem Trainer Kovac zeigte.
Das mit der Würde, Anstand und Moral ist halt immer eine etwas heikle Sache, wenn es um Erfolg und Geld geht. Der reife Rummenigge ist da nicht mehr ganz so zimperlich. Interessant wäre zu wissen, wie der junge Rummenigge zum Beispiel den Deal mit Katar gesehen hätte, der dem FC Bayern zwar reichlich Kohle, aber auch beißende Kritik von Menschrechtlern einbringt. In Katar gelten halt Werte wie Presse- und Meinungsfreiheit kaum oder nur stark eingeschränkt, der Umgang mit Menschen dort gibt immer wieder Anlass zu Sorge. Rummenigge aber verteidigt die lukrativen Beziehungen damit, dass man ein Wirtschaftsunternehmen sei wie andere, die ja auch Geschäfte mit Katar machten. Aber hat ein Sportverein, der für Werte stehen und Werte einfordern sollte, nicht eine ganz besondere Verantwortung?
Ist natürlich ziemlich gemein, einen Menschen mit seinen Standpunkten von früher zu konfrontieren, vor allem im Fußball, der ja in den letzten Jahrzehnten einem noch krasseren Wandel unterzogen war als unser Klima. Eine Ablöse, die Barcelona damals für Rummenigge bezahlen wollte, blättern die Bayern heute für einen Nachwuchsmann eines Zweitligisten hin. Und mit den explodierenden Einnahmen und Ablösesummen haben sich auch die Werte gewandelt. Man ist dann halt nicht mehr so charakterfest wie „Rotbäckchen“ Rummenigge. Zuallererst kommt Erfolg, dann vielleicht mal die Moral (aber nur, wenn sich Kapital daraus schlagen lässt).
So stark aber hat sich der Rummenigge dann doch nicht verändert. Stolz hat er damals auch seine abgeschlossene Banklehre erwähnt, wegen der er „noch keine Mark verloren“ habe. Zumindest diese Mentalität hat er sich bewahrt. Nur eben in Euro.
Im modernen Fußball geht es vorrangig um Erfolg und Geld, Werte bleiben auf der Strecke