Natsch – Alexander Nübel wird bereits als Nachfolger von Manuel Neuer zwischen den Pfosten der Nationalmannschaft gehandelt – auch beim FC Bayern ist der Torhüter Gesprächsthema. Der 22-Jährige vom FC Schalke 04 spricht über seine Zukunft, die bevorstehende U21-Europameisterschaft und wie er mit dem Hype, der um seine Person entstanden ist, klarkommt.
Können Sie verstehen, dass sich die A-Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren auf große Turniere stets in Südtirol vorbereitet hat? Sie waren mit der U21 auch hier im Trainingslager.
Das ist sehr verständlich, ja – und wir haben jetzt das ganze Turnier in Italien. Ich bin das erste Mal in diesem Land. Es ist überragend hier.
München gilt als nördlichste Stadt Italiens.
Netter Versuch… (lacht)
Wie wichtig ist speziell die Vorbereitungszeit für den späteren Turniererfolg?
Sehr wichtig! Ein Trainingslager schweißt eine Mannschaft immer zusammen. Man bereitet sich hart auf das Turnier vor – und diese Härte bringt dann das Team noch ein Stück näher zusammen.
Ihr Trainer Stefan Kuntz hat kürzlich gesagt, die Mannschaft des EM-Triumphs von vor zwei Jahren war in Sachen individueller Qualität einen Tick besser. Motiviert das extra?
Klar. Wir haben Top-Spieler dabei, aber im Endeffekt entscheidet sich jedes Turnier über das Mannschaftsgefüge. So wird es auch dieses Mal laufen. Wir als Mannschaft, der ganze Kader muss performen. Dann wird es ein gutes Turnier.
Sind Sie froh, dass Sie während der Vorbereitung nicht bei der A-Nationalmannschaft als dritter Torwart aushelfen mussten?
Das ganz große Ziel ist immer die A-Mannschaft. Aber: Da hatte ich jetzt gar keinen Fokus darauf. Für mich war klar, dass ich von Anfang an ins Trainingslager fahre und mich optimal aufs Turnier vorbereiten kann.
Kann sich ein junger Keeper vor allem in Sachen Mannschaftsdienlichkeit ein Beispiel an jemandem wie Sven Ulreich nehmen? Obwohl er keine Perspektive in der Nationalmannschaft hat, stand er für die vergangenen Länderspiele als dritter Keeper bereit.
Auf jeden Fall! Er ist ein Top-Torhüter. Die Nummer zwei zu sein im Verein, ist auch nicht einfach, da spreche ich aus eigenen Erfahrungen. Aber er hat immer abgeliefert, als er gefordert war. Deswegen: Klar ist es als Nummer eins auch schwierig zu spielen, aber als Nummer zwei hat man ebenfalls so seine Schwierigkeiten. Das hat Sven top gemacht, auf einem sehr hohen Level.
Vielleicht ist das Unterordnen für den Mannschaftserfolg bei Ihnen ja auch bald gefragt. Stefan Kuntz hält die Torwartfrage wohl bis zum Schluss offen. Wie groß wäre die Enttäuschung über einen Bankplatz?
Manchmal geht es schneller als man denkt. Wenn ich nicht spielen sollte, stehe ich aber genauso hinter der Mannschaft, als wenn ich spielen würde.
Müssen Sie sich manchmal kneifen, wie rasant Ihr Aufstieg im vergangenen Halbjahr war – vor allem der Hype um Ihre Person?
Ich komme damit eigentlich ganz gut klar. Man bekommt es mit, ja, aber ich beschäftige mich nicht groß damit. Ich versuche wirklich, bewusst nicht viel zu lesen. Das hilft mir dann.
Schafft man es in der heutigen digitalen Zeit tatsächlich, bewusst Dinge über sich selbst nicht zu lesen? Vor allem in Sachen Transfers…
Ich lese mir gerne Transfer-News über andere Mannschaften und andere Kollegen durch (lacht). Aber was über mich geschrieben wird? Da lese ich mir wirklich die wenigsten Artikel durch.
Man hat von außen das Gefühl, dass Sie sich in der Rolle dieses „Schalker-Gesichts“ nicht ganz wohl-fühlen – oder täuscht das?
Natürlich bin ich stolz. Fußball ist aber ein Mannschaftssport. Und wenn da einer nicht performt, wird es für die anderen zehn schon schwierig. Da gehören elf Leute auf dem Platz und der ganze Kader dazu. Jeder ist gleich. Das ist auf Schalke auch bei uns im Torwart-Team der Fall. Alle Spieler sind wichtig. Aber das ist doch bei jedem Verein so.
Apropos absolute Weltspitze: Dort gehört auch Manuel Neuer als Torwart dazu. Sie werden gerne mit ihm verglichen und als Mini-Neuer bezeichnet.
Ich höre es mir an, da komme ich ja nicht dran vorbei. Aber auch damit beschäftige ich mich nicht viel. Ich bin vom Namen, wie man ja hört – Alexander Nübel – ein anderer Typ und nicht Manuel Neuer.
Wie sehr nerven die Fragen nach Ihrer Zukunft während so einer wichtigen Vorbereitungszeit?
Ich habe von vornherein gesagt, dass ich mich auf das Turnier vorbereiten und konzentrieren möchte. Das habe ich ja schon auf Schalke mit Blick auf die Rückrunde so gehandhabt.
Entspricht es also Ihrem Naturell, sich auch unbequemen Situationen zu stellen? Sie könnten ja auch einfach keine Interviews geben.
Ich habe ja keine Angst! Ich habe noch ein Jahr Vertrag auf Schalke. Deswegen habe ich auch gar kein Problem damit, Interviews zu geben.
Sie haben bei Ihrer Zukunftsfrage stets betont, dass Spielpraxis für Sie das A und O sei. Das wäre beim FC Bayern nicht gewährleistet.
Hätte ich die Rückrunde nicht als Nummer eins bestritten, hätte ich mit dem Verein reden müssen, was jetzt im Sommer möglich wäre. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich spielen will und muss. Für mich persönlich lief es in den letzten Monaten gut, gar keine Frage. Aber dazu hat auch die ganze Vorbereitung in den vergangenen drei Jahren beigetragen. Menschlich bin ich sehr gereift und konnte mich auf diese Situation gut vorbereiten.
Schmeichelt es einem jungen Spieler trotzdem, wenn ein großer Verein wie FC Bayern über ihn Bescheid weiß?
Wie gesagt, ich lese nicht alles durch. Darum weiß ich gar nicht, welche großen Vereine alle genannt werden. Ich habe echt genug Abstand zu dem ganzen Business und bin froh, wenn ich daheim bin und nicht über Fußball nachdenken muss. Das ist am schönsten, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Und dass ich auch genug Freunde und Familie habe, dass ich ganz abschalten kann.
Diese Menschen wissen, dass Sie zu Hause nicht unbedingt scharf darauf sind, über Fußball zu sprechen?
So sieht es aus. Meine Familie und meine Freundin ganz klar. Aber auch meine ganz engen Freunde. Mit denen rede ich sehr selten über Fußball. Was es wiederum ausmacht, dass es meine engsten Freunde sind.
Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre, was sagt der Karriereplan?
Ich hatte nie einen Karriereplan, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Ich habe mich damals gefreut, als ich nach Schalke wechseln konnte, zu einem riesigen Verein. Jetzt freue ich mich auf das Turnier und hoffe, dass ich spiele. Dann schaue ich, was passiert. Aber klar: Ein großes Ziel ist die A-Nationalmannschaft! Über alles andere mache ich mir wenig Gedanken.
Zum Abschluss: Kann man damit rechnen, dass Sie nach der EM eine Entscheidung über Ihre offene Zukunft treffen werden?
Eine offene Zukunft habe ich ja nicht, ich habe noch ein Jahr Vertrag auf Schalke.
Interview: Manuel Bonke