Frankreich träumt

von Redaktion

Gastgeber hoffen auf ersten Toursieg seit 34 Jahren – zum 100. Geburtstag des Gelben Trikots

Brüssel – Gelb ist in diesen Tagen die Modefarbe in der Heimat von Eddy Merckx. Wenn am Samstag in Brüssel die 106. Tour de France gestartet wird, dreht sich alles um das Gelbe Trikot. Seit genau 100 Jahren existiert das berühmteste Rad-Textil der Welt. Es passt zum Jubiläum, dass der Kampf um den Gesamtsieg so offen wie seit vielen Jahren nicht mehr erscheint. Sogar die Gastgeber träumen bereits vom ersten französischen Toursieger seit 34 Jahren. „Dieses Jahr oder niemals“, schrieb das Tour-Organ „L’Equipe“.

Wo in den letzten Jahren aufgrund der Dominanz des Teams Sky – heute Ineos – oftmals gähnende Langeweile herrschte, ist die Favoritenrolle diesmal völlig ungeklärt. Der walisische Titelverteidiger Geraint Thomas hat seit einem Jahr kein Rennen mehr gewonnen, Vierfach-Champion Chris Froome (Großbritannien) liegt mit Knochenbrüchen im Krankenbett und der niederländische Vorjahreszweite Tom Dumoulin muss ebenfalls verletzt passen.

Wer macht also das Rennen nach 3480 Kilometern von Brüssel bis Paris? Noch einmal Thomas, dessen Vorbereitung mit Stürzen und fehlenden Erfolgen holprig verlief? Oder stattdessen sein erst 22 Jahre alter Ineos-Teamkollege Egan Bernal? Der junge Kolumbianer hat mit seinem Sieg bei der Tour de Suisse nochmals bewiesen, dass ihm die Zukunft gehört. Beginnt seine Zeit schon 2019? Routinier Tony Martin ist davon überzeugt: „Das ist nicht mehr die Zukunft, sondern die Gegenwart.“ Und Volksheld Merckx hat sich schon im Frühjahr auf Bernal festgelegt.

Hinter dem Duo des seit Jahren übermächtigen Ineos-Teams machen sich weitere Fahrer Hoffnungen auf den großen Coup. Wie etwa Bernals Vorbild Nairo Quintana, ebenfalls Kolumbianer. Oder der Däne Jakob Fuglsang, immerhin Sieger der Dauphiné-Rundfahrt. Nicht zu vergessen die Franzosen Thibaut Pinot und Romain Bardet, denen die Strecke mit nur einem mittelschweren Einzelzeitfahren besonders gefallen dürfte.

Mit der Gesamtwertung hatten die deutschen Fahrer seit den Zeiten von Jan Ullrich und Andreas Klöden nichts mehr zu tun. Das könnte sich ändern, nachdem Emanuel Buchmann noch einmal einen Sprung machte. Sein Teamkollege Marcus Burghardt traut dem aufstrebenden Leichtgewicht (62 Kilogramm) gar den Sprung unter die besten fünf zu.

Und Martin? Bei seiner elften Tour in Serie soll er sich mit seiner Erfahrung in den Dienst der niederländischen Jumbo-Visma-Mannschaft stellen, speziell bei den Sprints für Top-Mann Dylan Groenewegen. Dort trifft der Niederländer auch auf Ex-Weltmeister Peter Sagan, der mit dem siebten Grünen Trikot endgültig Erik Zabel abhängen kann.

Der Schwerpunkt der 106. Tour liegt aber in den Bergen. „Das ist die höchste Tour der Geschichte“, sagt Tourchef Christian Prudhomme. Sieben Etappen durch das Hochgebirge, davon fünf Bergankünfte warten auf die Fahrer. Sogar der 2770 Meter hohe Iseran-Pass, das Dach der Tour, steht wieder einmal im Programm.

Los geht es aber in Brüssel, wo sich Martin auf einen „Ausnahmezustand“ in Sachen Begeisterung freut. Der besteht auch für die Polizei, denn das Thema Sicherheit ist in einer Stadt, in der schon Terrorattacken stattfanden, naturgemäß noch stärker im Fokus. In diesem Jahr werden 29 000 Polizisten während der Tour im Einsatz sein.

Die erste Etappe steht dabei ganz im Zeichen von Merckx, der im Brüsseler Vorort Woluwé-Saint-Pierre aufwuchs. 100 Jahre Gelb, 50 Jahre Merckx – ein anderes Jubiläum wollen die Veranstalter dagegen lieber schnell vergessen: Vor 20 Jahren stürmte ein gewisser Lance Armstrong zu seinem ersten Toursieg und prägte eine dunkle Ära, die bis heute ihre Schatten wirft. So hell kann das Gelbe Trikot gar nicht leuchten. dpa

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