Rapinoes Rede nach der WM

Hymne auf die Vielfalt

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Der durchschnittliche Sportkonsument wird nicht viele (internationale) Fußballerinnen beim Namen nennen können. Wenn ihm welche ein Begriff sind, dann wegen Geschichten, die über das reine Spiel hinausgehen.

Birgit Prinz musste, um Aufmerksamkeit zu erlangen, damit kokettieren, in der zweiten italienischen Männer-Liga spielen zu wollen. Die Amerikanerin Brandi Chastain wäre nicht dadurch in Erinnerung geblieben, dass sie im WM-Finale 1999 gegen China den entscheidenden Elfmeter für die USA verwandelte, sondern weil sie in der Freude darüber sich das Trikot vom Leib riss, wie die Kerle es tun, und dann eben ihren Sport-BH vorzeigte. Die Norwegerin Ada Hegerberg stand in den Schlagzeilen, als sie bei der Ehrung als weltbeste Spielerin 2018 sexistische Bemerkungen eines Moderators schlagfertig konterte. Gut, Marta aus Brasilien hat sich im kollektiven Gedächtnis verewigt durch viele Tore und einen eingängigen Namen. Hope Solo, die US-Torhüterin, hat es ebenfalls zur Marke gebracht – bevor der frühere FIFA-Präsident Sepp Blatter sie vor einer Gala zu befummeln versuchte.

Bekannt geworden ist in den vergangenen Wochen Megan Rapinoe aus dem weltmeisterlichen Team der USA. Man musste die WM in Frankreich nicht verfolgen, um ihr zu begegnen. Mehr Resonanz als für ihre Tore (die Amerikanerinnen waren ohnehin Turnierfavorit) bekam sie für die Äußerung ihrer politischen Haltung: Megan Rapinoe wurde zur Frau, die sich gegen ihren Präsidenten Donald Trump stellte und ankündigte: Wenn er uns einlädt – wir gehen nicht hin.

So haben sich auch andere prominente Sportler schon geäußert, es ist ein wahrscheinlich sogar mehrheitsfähiges Rebellentum light. Doch Rapinoe hat es nicht dabei belassen, sie hat nachgelegt. Und in New York eine spontane Rede gehalten, die „Die Zeit“ überschwänglich bewertete: als eine, „die der Sport noch nicht erlebt hat“ und die „beinahe an den Bürgerrechtler Martin Luther King“ erinnert. Das neue „I Have a Dream“ ist Megan Rapinoes Hymne auf die Vielfalt, die ihr Fußball-Team vorlebt. Sechs grandiose Minuten in der direkten Sprache einer Sportlerin, die eine Sonnenbrille trägt, weil sie gezecht hat – doch kein nüchterner Politiker hätte klarere und klügere Botschaften setzen können. Das Video ging sofort millionenfach um die Welt, und man möchte Megan Rapinoe dafür mehr feiern als für ihre Fußballkunst. Möge sie es der Welt nachsehen.

Guenter.Klein@ovb.net

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