ZWISCHENTÖNE

Schwabls Projekt

von Redaktion

Das Gemeine am fußballerischen Sommerloch ist dieses Jahr, dass sich der FC Bayern partout weigert, es zu füllen. Keine spektakulären Top-Transfers, nicht mal Top-Gerüchte, nur Topbeschwichtigungen, dass das Transfer-Fenster ja erst am 2. September schließt. Zum Glück gibt es in München noch die Sechzger, die brauchen traditionell gar keine Topverpflichtung, um dicke Schlagzeilen zu produzieren. Da reicht eine Mitgliederversammlung und ein dauer- beleidigter arabischer Investor, für den 50+1 nicht 51, sondern ein dickes Minus(geschäft) ergibt.

Die Überraschung des Sommers aber ist, dass die kleine SpVgg aus Unterhaching bundesweit gerade mehr Interesse weckt als die dauerkriselnden Löwen. Und zwar in Medien, die nicht gerade als Sport- und fußballaffin gelten: Forbes, Handelsblatt, Börsen-Zeitung, Focus Money. Es erregt eben Aufsehen in der Finanzwelt, wenn ein außerhalb Bayerns höchstens in Leverkusen sehr bekannter Verein an die Börse geht. Als zweiter deutscher Club überhaupt nach Borussia Dortmund.

Ist er jetzt größenwahnsinnig, der Schwabl? Die Frage muss erlaubt sein, schließlich ist der Hachinger Präsident, einst Profi bei Bayern und 60, als bodenständiger Oberbayer bekannt, selbst Norditalien war für ihn während seiner aktiven Zeit fast schon das Ende der Welt. In Unterhaching pflegt er bewusst das Understatement, setzt statt auf Toptransfers auf die eigene Jugend, die er hütet wie seinen Augapfel, er wehrt sich, untypisch für einen Drittligisten, gegen Verschuldung und gegen Abhängigkeit von einem großen Geldgeber, der bei schwindender Laune das Konstrukt zusammenfallen lassen könnte wie ein Kartenhaus.

Wie aber kann ein Verein überleben im Niemandsland zwischen dem völlig überdrehten Profi- und dem am Hungertuch nagenden Amateurfußball? Vom DFB, zuständig für Liga drei, erwartet Schwabl keine Hilfe, zu sehr ist der größte Sportverband der Welt schon vor der mächtigen DFL eingeknickt. Unten, sagt Schwabl, fehle das Geld für Bälle, während sie oben ihre Festgeldkonten stärken. Schwabl hat das oft genug angeprangert, geändert hat es nichts. Nun könnte er klagen, jammern, resignieren, der Schwabl aber ist ein zäher Kämpfer. Wie sonst hätte er es, immer einer der Kleinsten, bis ins Nationalteam schaffen können?

Und weil er eben niemals aufgibt, hat er neue Wege gesucht. Wege, die zur SpVgg passen, die den Verein nicht von einem starken Investor, nicht von Fremdgeld abhängig machen und doch vernünftig arbeiten lassen. Warum also nicht an die Börse? Die Haching-Aktie kann ab Montag für 8,10 Euro gezeichnet werden, bis zu 7,7 Millionen Euro brutto will man damit erlösen, um Schulden loszuwerden, in den Nachwuchs zu investieren und kurz- bis mittelfristig die Zweite Liga anzusteuern, wo die finanziellen Möglichkeiten um ein Mehrfaches besser sind als in Liga drei.

Die Haching-Aktie verspricht zunächst keine Rendite, eine Dividende wird vorerst nicht ausgeschüttet, man muss hoffen. Und an das Projekt glauben. Der Verein, das hat eine Evaluierung vor dem Börsengang ergeben, ist interessant für Anleger, werde skandalfrei geführt und habe eine geordnete Fanbasis, so Claus Lemke von Portfolio Control, das Hachings Börsengang begleitet. Und er steht für Kontinuität.

So gesehen ist die SpVgg praktisch der Gegenentwurf zum TSV 1860. Der Nachbar gibt das abschreckende Beispiel: Sich in totale Abhängigkeit eines einzigen Investors zu begeben, der mit seinem undurchschaubaren Agieren drauf und dran ist, den Verein zu spalten. Die positiveren Schlagzeilen im fußballerischen Sommerloch schreibt jedenfalls Unterhaching, nicht 1860. Und auch nicht Bayern.

Von Reinhard Hübner

Der Börsengang von Haching – ein interessanter Weg

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