Gwangju – Auch nach dem Eklat bei der Siegerehrung schlägt der brisante Fall Sun Yang bei der Schwimm-WM weiter hohe Wellen. Nachdem Mack Horton mit seinem ungewöhnlichen Protest bei der Medaillen-Zeremonie für viel Aufregung gesorgt hatte, solidarisierte sich der deutsche Athletensprecher Jacob Heidtmann mit dem Australier und kritisierte den WM-Start des dopingvorbelasteten Chinesen scharf.
„Dass der hier schwimmt, ist eine Frechheit für alle sauberen Athleten, für jeden, der für den sauberen Sport einsteht. Das ist ein Schlag ins Gesicht“, sagte der 24 Jahre alte Elmshorner. „Ich bin froh, dass endlich mal jemand ein Zeichen gesetzt hat.“ Dass der in dieser Sache stark unter Druck geratene Schwimm-Weltverband FINA die Aktion ähnlich bewertet, darf bezweifelt werden. Am Montag wurde hinter den Kulissen über eine mögliche Sanktion gegen Horton beraten.
Der Olympiasieger hatte nach seinem zweiten Platz hinter Sun auf Paul Biedermanns Weltrekordstrecke 400 m Freistil „aus Frust“ den Gang aufs Podest, den Handschlag und das obligatorische Foto aller Medaillengewinner verweigert. Doch laut Heidtmann, der als 18. im 200-m-Vorlauf am Montagmorgen 1,16 Sekunden langsamer war als der dreimalige Olympiasieger, sprach Horton mit dem Protest vielen Schwimmern aus der Seele. „Das frisst alle im Team an, und alle sind froh, dass endlich ein Zeichen gesetzt wurde“, sagte er. Auch Südafrikas Ausnahmeschwimmer Chad le Clos solidarisierte sich via Twitter mit Horton: „Es ist großartig zu sehen, dass Menschen eine Haltung einnehmen.“ Andere Schwimmstars wie Adam Peaty (Großbritannien) oder Lilly King (USA) hatten sich im Vorfeld höchst kritisch über Suns WM-Start geäußert.
Dem Chinesen, der 2014 von der FINA nach einem positiven Test nur für drei Monate gesperrt worden war, droht im September eine nachträgliche Strafe. Der Internationale Sportgerichtshof CAS rollt den Fall um eine womöglich durch einen Sun-Gefolgsmann zerstörte Dopingprobe neu auf. Die FINA hatte den dreimaligen Olympiasieger nach einer Anhörung freigesprochen, dagegen hatte die Welt-Anti-Doping-Agentur vor dem CAS Einspruch eingelegt.
„Mich hat es auch geärgert. Ich darf mich damit eigentlich gar nicht beschäftigen, denn das macht einen fertig“, sagte Heidtmann. Freiwasser-Weltmeister Florian Wellbrock, der im 800-m-Rennen am Dienstag auf Sun trifft, will das Thema deswegen ausblenden. Die Situation sei zwar „sehr schade“, aber im Rennen „ist er ein Wettkampfsportler wie jeder andere auch“ Dass die Diskussionen nicht spurlos an ihm vorbeigehen, bewies Sun nach seinem 400-m-Sieg. Der 27-Jährige musste sich im Gespräch mit chinesischen Journalisten abwenden und gegen die Wand lehnen. Nach einem kurzen Schluchzen drehte sich der knapp zwei Meter große Athlet wieder um und wischte sich mit zitternden Fingern eine Träne aus dem Auge.
Als Wiederholungstäter droht dem Freistil-Dominator sogar eine lebenslange Sperre. Das Bedauern in der Schwimmszene würde sich in Grenzen halten. sid