Freud und Leid

von Redaktion

SCHWIMM-WM Rätselraten über Köhlers Hoch und Wellbrocks Tief

Gwangju – Sarah Köhler hielt stolz ihre WM-Medaillen in Gold und Silber in die Kamera – und wunderte sich auch am Tag danach noch über ihre Leistungsexplosion. „Ich habe mir einen Kindheitstraum erfüllen können“, sagte die 25-Jährige mit strahlendem Lächeln, gab aber zu: „So richtig realisiert habe ich es immer noch nicht.“ Um insgesamt neun Sekunden hatte die Freiwasser-Staffelweltmeisterin auf dem Weg zu Silber über 1500 m Freistil ihre Bestmarke verbessert.

Eine solche Steigerung hatte Trainer Bernd Berkhahn überhaupt nicht auf dem Plan gehabt – ebenso wenig wie den Einbruch ihres Freundes Florian Wellbrock. „Genauso unerklärlich wie das positive Ergebnis von Sarah“ fand der Teamchef der deutschen Schwimmer bei der WM in Südkorea das Vorlauf-Aus des Gold-Kandidaten über 800 m.

Der Schock mitten in der WM-Mission des doppelten Wellbrock gibt Rätsel auf. „Im Moment können wir noch nicht genau sagen, was die Ursache war“, gab Berkhahn zu. Schnelle Antworten sind gefragt, denn am Samstag geht es für den Europameister auf die Paradestrecke über 1500 m – und um die erneute Chance, nach Gold im Freiwasser im Becken nachzulegen.

Sein Konkurrent Gregorio Paltrinieri schnappte ihm gestern einen historischen Meilenstein weg: Der italienische Olympiasieger ist nach seinem Triumph über 800 m mit Europarekord der erste Schwimmer, der bei einer WM im Freiwasser und im Becken Edelmetall gewonnen hat.

Wellbrock selbst ist für die Journalisten abgetaucht, der 21-Jährige schweigt öffentlich. Die Suche nach den Gründen für den Fehlstart im Becken beschäftigt ihn aber ebenso wie seinen Coach. Nach ein paar Trainingsbahnen kletterte er aus dem WM-Becken und sah Berkhahn fragend an. Der deutsche Teamchef gab ihm einen aufmunternden Klaps auf den Rücken.

Die Frage ist: War der Druck für den Hoffnungsträger zu groß? Oder war Wellbrock zu früh in Bestform? Das Höhentraining hatte er mit Berkhahn in erster Linie auf das Freiwasserrennen über 10 km vor einer Woche abgestimmt. Der Grund: Im Hafen von Yeosu ging es nicht nur um Gold, sondern vor allem um die Olympia-Qualifikation.

Köhler dagegen, die zwei Tage später mit der Staffel den WM-Titel gewann, hatte zwischen den Trainingslagern in der Sierra Nevada und den Pyrenäen eine einwöchige Pause eingelegt – und war topfit, als sie am Dienstag mit ihrem zweiten deutschen Rekord in zwei Tagen zu WM-Silber über 1500 m kraulte.

Berkhahn glaubt, dass der Druck nach dem Freiwasser-Gold für Wellbrock zu groß war. „Für ihn ist das eine komplett neue Rolle. Jetzt stehen alle da und erwarten, dass er den deutschen Schwimmsport rettet“, sagte der Magdeburger Stützpunkttrainer. Wellbrock selbst hatte stets betont, dass er damit umgehen könne. Er verspüre „20 Prozent Druck und 80 Prozent Vorfreude“. Berkhahn mutmaßte: „So was kann sehr schnell kippen.“

Vor zwei Jahren in Ungarn hatte der inzwischen zurückgetretene Bundestrainer Henning Lambertz Wellbrock den WM-Doppelstart im Freiwasser und im Becken noch verweigert. „Jetzt treffen glücklicherweise andere Leute die Entscheidung“, sagte Wellbrock vor dieser WM: „Ich glaube, dass es für den Verband das Beste ist, weil ich schon gezeigt habe, dass ich beide Sachen gut drauf habe.“ Das muss er aber erst noch beweisen.  sid

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