„Herr Schiedsrichter . . .“

von Redaktion

Überlegene Löwen verlieren nach Platzverweis gegen Kapitän Weber – Bierofka gibt die Schuld dem Pfeifenmann

Braunschweig/München – Benjamin Kessel legte beide Hände hinter die Ohren, nachdem er den Ball spielentscheidend ins Tor der Gäste geköpft hatte. Die Geste war unschwer zu interpretieren und bedeutete so viel wie: Und jetzt, Sechzger, gebt Ihr endlich Ruhe? Es war ein Treffer aus der Kategorie „Ausgerechnet“, denn ausgerechnet Kessel war es ja gewesen, der beim letzten Duell die finale Eskalation provoziert hatte, gipfelnd in Efkan Bekiroglus Spuckattacke als Reaktion auf gezielten „Dirty Talk“.

1:1 endete das Aufeinandertreffen Ende März, das für die Löwen eine gefühlte Niederlage war. Am Samstag nun bezogen die Löwen eine tatsächliche Niederlage (1:2) – und wieder war mit dem Schlusspfiff längst nicht alles vorbei. Dass es Kessel war, der die anfangs überlegenen Münchner bezwang, war gar nicht mal das Schlimmste für Daniel Bierofka („Ist ja nichts Neues, dass er immer den Kontakt zu anderen Spielern sucht“). Richtig bitter aus Bierofkas Sicht war eine Szene, die sich elf Minuten vor Kessels Siegtreffer ereignet hatte: die Gelb-Rote Karte gegen Kapitän Felix Weber, die der 1860-Coach auch mit einer Nacht Abstand als „spielentscheidend“ bezeichnete.

Die Linie des erfahrenen Referees Martin Thomsen, 33, aus Kleve (49 Zweit-, 73-Drittligaspiele), von Bierofka verächtlich als „Herr Schiedsrichter“ bezeichnet, sei „nullkommanull nachvollziehbar“ gewesen, kritisierte der 1860-Coach und unterfütterte seine Schelte mit Beispielen: „Pfitzner foult Effe nach fünf Minute und sieht keine Gelbe Karte. Nkansah haut Sascha (Mölders) an der Mittellinie aus den Schuhen raus und bekommt nix. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit? Es ärgert mich, wenn einer nach der einen Seite so und nach der anderen so pfeift. Für mich war es ein relativ normales Spiel. Wo soll denn das hinführen, wenn man in keinen Zweikampf mehr gehen darf?“ Bierofka ging sogar so weit zu sagen, „dass wir das Spiel vielleicht sogar noch gewonnen hätten, wenn es bei elf gegen elf geblieben wäre“.

Womit der Coach bei den positiven Erkenntnissen eines auf den ersten Blick verkorksten Nachmittags angelangt war – bei der spielerischen Überlegenheit seines Teams, die sogar Eintracht-Coach Christian Flüthmann offen eingeräumte. „Wir waren sowohl mit als auch gegen den Ball die bessere Mannschaft – darüber gibt es zwei Meinungen“, sagte Bierofka und zählte die weiteren Fortschritten auf: „Wir haben viel längere Ballbesitzzeiten, bereiten die Angriffe besser vor, kommen viel mehr über Außen, brauchen fast keine langen Bälle mehr . . .“ Sein Fazit: „Das ist mittlerweile richtig gut, was wir spielen. Teilweise besser als in der besten Phase letztes Jahr. Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist die Kaltschnäuzigkeit.“

Lediglich Sascha Mölders war am Samstag ein Treffer gelungen – per Kopf wuchtete er nach fünf Minuten einen Eckball von Daniel Wein ins Eintracht-Tor. Viel lief danach über die Außenbahnen, wo Benjamin Kindsvater und Startelf-Debütant Fabian Greilinger, 18, für Betrieb sorgten. Doch nur Bekiroglu hatte noch eine gute Schusschance. Die Gastgeber kamen erst kurz vor der Pause zum ersten Torschuss: Manuel Schwenk zog ab, 1860-Keeper Hendrik Bonmann tauchte ab, war beim Kopfballnachsetzer von Martin Kobylanski aber auf verlorenem Posten.

Ähnliches gilt auch für die Momentaufnahme in der Drittligatabelle, die Bierofka so gar nicht gefällt. „Gefühlt könnten wir sechs Punkte haben, tatsächlich haben wir nur einen. Deswegen war die Mannschaft auch so niedergeschlagen.“ Und deswegen wird schon das Heimspiel am Mittwoch gegen Zwickau richtungweisend. Bierofka räumt ein: „Das ist jetzt ein enorm wichtiges Spiel für uns.“ ULI KELLNER

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