Hockenheim – Für Sebastian Vettel war seine atemberaubende Aufholjagd im irren Regen-Chaos von Hockenheim der reinste Stimmungsschub. Der von Platz 20 als Letzter gestartete Ferrari-Pilot musste sich beim actiongeladenen und womöglich letzten Formel-1-Rennen in Deutschland nur dem furiosen Niederländer Max Verstappen im Red Bull geschlagen geben. „Es ist eine harte Phase für uns, wir geben aber Vollgas. Wir müssen an unsere Fähigkeiten, an unsere Stärken glauben“, sagte der zuletzt oft kritisierte Vettel voller Genugtuung nach seinem 50. Podium für die Scuderia. „In dieser Phase ist es wichtig, die Moral aufrechtzuerhalten.“
Überglücklich reckte Sebastian Vettel den Fans in Hockenheim die Silber-Trophäe nach seiner Sturmfahrt entgegen. „Es war ein langes Rennen, an manchen Stellen hat es sich angefühlt, als würde es nie enden“, meinte Vettel nach dem Sonntagskrimi mit einem Lausbuben-Grinsen. „Es hat richtig Spaß gemacht.“
Mercedes erlebte bei seinem 200. Formel-1-Rennen dagegen ein Desaster. WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton blieb im Silberpfeil nach mehreren Ausrutschern und einer Zeitstrafe zunächst als Elfter ohne Punkte. Teamgefährte Valtteri Bottas schied nach einem Unfall kurz vor Schluss sogar aus.
Nachträglich bekam Hamilton doch noch zwei Punkte für die Gesamtwertung. Der Mercedes-Pilot rückte in der Endabrechnung auf Rang neun vor, nachdem die Rennkommissare beide Alfa-Romeo-Piloten mit einer 30-Sekunden-Zeitstrafe belegten. Der Finne Kimi Räikkönen und sein italienischer Teamkollege Antonio Giovinazzi, eigentlich Siebter und Achter, wurden wegen einer unerlaubten Technikhilfe am Start des Rennens sanktioniert und rutschten aus den Punkterängen.
Alfa Romeo kündigte am Abend einen Einspruch gegen das Urteil der Rennkommissare an. „Wir glauben, dass wir Gründe und Beweise dafür haben, dass es aufgehoben wird“, sagte Teamchef Fréderic Vasseur.
Nach dem Fiasko donnerte Mercedes-Teamchef Toto Wolff voller Frust mit der Faust auf sein Boxenpult, auch wenn der Brite Hamilton nach dem elften Saisonlauf weiter klar die Gesamtwertung anführt.
„Das war ein schlechter Tag für die Fahrer. Es hätte nicht schlechter laufen können“, resümierte Wolff. Beim Hockenheim-Spektakel mit vier Safety-Car-Phasen wurde der Russe Daniil Kwjat im Toro Rosso Sensationsdritter und bescherte den Italienern nach elf Jahren wieder einen Podestplatz.
Den völligen Durchblick und die Nerven behielt Verstappen. Bei wechselhaftem Wetter und inmitten eines wilden Reifenpokers steckte der 21-Jährige auch einen verkorksten Start weg und holte sich mit einer Gala seinen zweiten Saisonsieg. In der WM liegt er als Dritter nun 61 Punkte hinter Hamilton.
Dem WM-Vierten Vettel indes gelang spektakuläre Schadensbegrenzung. Noch am Tag zuvor war der 32-Jährige tief frustriert gewesen, als er wegen eines Problems mit der Luftzufuhr am Turbolader seines Autos gar nicht erst in die Zeitenjagd eingreifen konnte. So musste er das Rennen von ganz hinten starten. Die Blamage perfekt machte ein Defekt im Benzinsystem bei Teamkollege Charles Leclerc, sodass auch der Monegasse nicht um die Pole Position mitfahren konnte. Er startete als Zehnter, lag phasenweise auf Podiumskurs und rutschte dann von der Strecke.
Bei chaotischem Verlauf war immer wieder das Safety-Car im Einsatz. Profiteur der Turbulenzen waren Verstappen und Nico Hülkenberg, die nun vor Bottas das Rennen anführten. Hamilton ordnete sich als Fünfter ein, erfuhr aber bald von der Fünf-Sekunden-Strafe für den verbotenen Abzweig zur Garage.
Beendet war der wilde Ritt auch für Hülkenberg vorzeitig. Wie so viele vor ihm rutschte der Renault-Pilot aus Emmerich in der Südkurve über die Auslauffläche und krachte in die Mauer.
Auch in der Schlussphase ging der Krimi weiter. Hamilton drehte sich erneut und fiel erstmal aus den Punkterängen. Bottas knallte in die Mauer. Ein letztes Mal kam das Safety-Car – und danach holte sich Vettel noch den nicht mehr für möglich gehaltenen Podiumsplatz.