Uli Hoeneß wird sich womöglich erschrocken haben, als er am Wochenende die Nachricht vernahm: Bernal gewinnt die Tour de France.
Weil Bernal so nach Bernat klingt. Dem Verteidiger, den Bayern-Präsident Hoeneß nicht mehr mag, seit er in der Champions League mal nicht gut gespielt hat.
Wer die dreiwöchige Rad-Rundfahrt durch Frankreich häppchenweise mitbekommen hat, dem geht es aber ähnlich: Egan Bernal ist ja erst bei der vorletzten Gelegenheit ins Gelbe Trikot gefahren – und auf einer Etappe, die weniger wegen der Rennstrategie in Erinnerung bleiben wird als aufgrund der sie flankierenden Bilder (Schneekulisse) und des Abbruchs. Hätte Julian Alaphilippe noch kontern können auf den Kilometern, die ihm vorenthalten wurden? Die Fachleute meinen: Eher hätte Bernal sich noch weiter abgesetzt. Sein Gesamtsieg könne als verdient betrachtet werden.
Eigentlich müsste die Tour de France noch ein weiteres Trikot einführen. Für den Fahrer, der die größte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Der dramaturgisch Beste. Die nämlich hat Julian Alaphilippe bestimmt. Der Franzose, der ein wenig zufällig ins Gelbe Trikot geraten, darin aber gewachsen, mit einem Mal ein guter Zeit- und ein respektabler Kletterer geworden war. 15 Tage der Führende zu sein – damit reißt man mehr mit als mit dem kalten Geniestreich auf den letzten Drücker.
Vergleichen wir auch die Wahrnehmung, die Emanuel Buchmann für seinen vierten Platz im Schlussklassement erfuhr, mit der für Didi Thurau, der 1977 Fünfter geworden war. Buchmann bekam Anerkennung aus Fachkreisen, doch der Versuch des Fernsehens, die Rad-Laufkundschaft mit der Frage anzufixen, ob er auf den drei Alpen-Etappen von sechs auf eins fahren könne, ging ins Leere. Was hingegen war das damals für eine Begeisterung um Thurau, der wie Alaphilippe das Gelbe Trikot 15 Tage durchs Land fuhr. Ein Radsport-Urknall in Westdeutschland, der „Blonde Engel“, der im Plusquamperfekt sprach („Es war eine sehr schwere Etappe gewesen“), wurde zur Sportgröße seiner Generation – auch wenn er hinauf nach L’Alpe d’Huez einbrach und später kaum noch was gewann.
Buchmann bietet ein kompletteres Paket. Doch er trägt noch die dezenten Farben seines Teams. Zum Star wird ein Klassementfahrer wie er erst durch Gelb.
Guenter.Klein@ovb.net