Gwangju – Die Kontrolle hat Florian Wellbrock schnell wiedergewonnen. Cool, klar, fast schon auffallend sachlich ging Deutschlands neuer Schwimm-Champion schon kurz nach dem historischen Gold-Double mit seinem WM-Meisterstück um. Groß Partymachen? „Nee“, stattdessen Tasche packen, zurückfliegen. Der WM-Triumph ist für den ehrgeizigen Magdeburger eine „große Nummer“, doch ausruhen will er sich darauf nicht. Das nächste große Ziel heißt Olympia. Deshalb: Blick nach vorn, nicht nur stolzer Blick zurück.
„Die Karten werden nächstes Jahr wieder neu gemischt“, sagt der 21-Jährige. „Die anderen Jungs schlafen nicht, die wollen mir nächstes Jahr wieder einen reindrücken.“ Die anderen Jungs, das sind vor allem Olympiasieger Gregorio Paltrinieri aus Italien und der Ukrainer Michailo Romantschuk, die sich mit Wellbrock in Gwangju einen packenden Dreikampf um die Krone über 1500 Meter lieferten. Kopf an Kopf, 14:36,54 Minuten lang.
Wellbrock schlug an, es brach kurz aus ihm heraus. Triumphierend streckte er beide Arme in die Luft, deutete mit den Zeigefingern zur Hallendecke, als wollte er sagen: Da bin ich, ganz oben.
Um dahin zu kommen ist Wellbrock früh seinen Weg gegangen. Er wollte immer unbedingt schwimmen. Das wollte er auch, nachdem seine 13-jährige Schwester Franziska nach einem Schwimm-Rennen starb. Er selbst war damals acht Jahre alt.
Schule war nicht so sein Ding. „Das hat sich irgendwann verstärkt und irgendwann habe ich es dann mit der Schule gelassen“, sagt er. Mit 17 ging er von zu Hause weg, zog nach Magdeburg. Erst ins Internat, kurz darauf in eine Drei-Mann-WG. Statt zur Schule zu gehen, machte er eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann.
Die Anfangszeit in der neuen Umgebung war nicht leicht. Sie prägte ihn. Wellbrock dachte viel nach über sein Leben und darüber, was er damit anfangen wollte. Musik gab ihm Kraft. „Genieß dein Leben ständig, du bist länger tot als lebendig“ – die Zeile aus dem Lied „Fühl dich frei“ von Rapper Sido ließ er sich über die linke Brust tätowieren. In Magdeburg habe Wellbrock selbstständig werden müssen, sagte Vater Bernd im ARD-Hörfunk. „Dieses Selbstbewusstsein und das positive Auftreten kommen auch daher.“
Selbstbewusst, positiv und ziemlich cool. Genauso tritt Wellbrock zu Beginn der Schwimm-WM auf. Gold im Freiwasser über zehn Kilometer, die Olympia-Quali locker in der Tasche, besser hätte es nicht losgehen können. Wellbrock hat alles unter Kontrolle, doch plötzlich kommt der Bruch. Über 800 Meter springt er als Medaillenkandidat vom Startblock und klettert als tief enttäuschter Sportler aus dem Becken. Rang 17, Vorlauf-Aus.
Im 1500-Meter-Finale ist die Coolness wieder zu spüren. Der „Härteste“ und der „Stärkste“ habe er in der Endphase des Rennens sein müssen, sagt er. „Und das habe ich geschafft.“ Er ist stolz, als Erster bei einer WM im Becken und im Freiwasser Gold geholt zu haben. „Ich habe jetzt gezeigt, dass ich auf großer Bühne schwimmen kann und dann machen wir nächstes Jahr Beste draus.“ dpa