Die Überheblichen bekommen die Quittung

von Redaktion

Borussia Dortmund scheitert überraschend bei Aufsteiger Union Berlin – vor allem an sich selbst

Berlin – „Komplett dumm“, „ideenlos“, „schlampig“: Beim leidenschaftslosen und spielerisch erschreckend schwachen Auftritt in der Alten Försterei ließ Borussia Dortmund fast alles vermissen – außer anschließend die völlig berechtigte Selbstkritik. Den Sturz von der Tabellenspitze kurz vor der Länderspielpause hatte sich der Titelkandidat selbst zuzuschreiben. Neuling Union Berlin kaufte bei seinem Bundesliga-Premierensieg den BVB-Stars mit einfachsten Mitteln den Schneid ab.

„Wir haben uns komplett dumm angestellt“, moserte Nationalspieler Marco Reus: „Wir glauben wohl manchmal, dass wir nur mit unserer Qualität die Spiele gewinnen. Das muss schleunigst aus den Köpfen raus.“ Auch Lizenzspieler-Abteilungsleiter Sebastian Kehl stellte die Willensfrage: „Wir müssen auch in solche Spiele mit der hundertprozentigen Einstellung und Mentalität gehen, ansonsten wird man trotz der Qualität, die war haben, den Unterschied nicht sehen.“

Das 1:3 bei Union, die erste Niederlage seit der Derby-Pleite im April gegen Erzrivale Schalke, war verdient. Weil Dortmund bei Standards mal wieder große Schwächen offenbarte, weil nicht alle Spieler mit nach hinten arbeiteten – und weil das Offensivspiel nach einer halben Stunde fast völlig erlahmte. „Die zweite Halbzeit war ideenlos, der letzte Pass war nicht gut, wir haben oft zu schlampig gespielt“, analysierte Kehl, der auch den dritten Rückstand im dritten Ligaspiel monierte: „Es darf uns nicht passieren, dass wir immer diesen Weckruf brauchen.“

Selbst der schnelle Ausgleich durch den vierten Saisontreffer von Paco Alcacer (25.) sorgte nicht dafür, dass Dortmund das Spiel in den Griff bekam – im Gegenteil. „Wir haben die Geduld und Konzentration verloren“, kritisierte Trainer Lucien Favre. Sein Kapitän Reus appellierte daher an die „Grundtugenden“, die man nach der zweiwöchigen Pause wieder „an den Tag legen“ sollte: „Jeder muss eine Schippe drauflegen.“

Die Statistik gab Reus recht: Die Dortmunder liefen 7,2 Kilometer weniger als die Berliner – das ist umgerechnet ein halber Feldspieler. Auch in Sachen Tempoläufe (393:497) hatte der BVB gegenüber Union klar das Nachsehen.

„Wir haben drei Punkte liegen gelassen, die uns wehtun“, sagte Kehl. Statt am kommenden Spieltag entspannt zu schauen, wie sich die beiden Titelkonkurrenten RB Leipzig und FC Bayern im direkten Duell die Punkte gegenseitig wegnehmen, steht der BVB im schweren Heimspiel gegen Bayer Leverkusen selbst unter Druck.

Für die Dortmunder Fans war Berlin auch sonst keine Reise wert. Die Auswärtspartie wurde von einer Auseinandersetzung zwischen BVB- und Union-Anhängern sowie der Polizei in der ersten Halbzeit überschattet. Die Polizei setzte laut Augenzeugen Pfefferspray ein, was Panik ausgelöst haben soll. Die „Fanhilfe Dortmund“ sprach hinterher von „skandalösen Vorfällen“. Auslöser der Tumulte sollen Union-Fans gewesen sein, die für eine Choreographie vor dem Anpfiff aufs Stadiondach durften und von dort oben angeblich die Gäste-Fans provozierten.

Applaus von den BVB-Fans gab es nach dem Schlusspfiff vor allem für Neven Subotic. Der langjährige Dortmunder Profi bedankte sich – und genoss den allerersten Bundesligasieg seines neuen Clubs Union im Stillen. „Aus Respekt habe ich mich beim Jubeln etwas zurückgehalten“, sagte der Abwehrspieler.  sid

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