Dortmund – Marc-Andre ter Stegen hatte keinerlei Lust auf Fußball-Diplomatie. Mit ruhiger Stimme, aber in der Sache knallhart heizte der Schlussmann vom FC Barcelona den Streit mit seinem Rivalen und Kapitän Manuel Neuer um die Nummer eins im deutschen Tor weiter an. Was vorher ein Schwelbrand war, ist seit gestern Abend ein offenes Feuer. „Ich denke nicht, dass Manu etwas zu meinen Gefühlen sagen und diese bewerten muss. Seine Aussagen sind unpassend“, sagte ter Stegen auf der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Start bei Borussia Dortmund (21 Uhr/Sky).
Ter Stegen hatte seine unbefriedigende Reservisten-Rolle nach der jüngsten Reise zur Nationalmannschaft für die Spiele gegen die Niederlande (2:4) sowie in Nordirland (2:0) beklagt und als „schweren Schlag“ bewertet. Neuer stieß dies anscheinend auf: Er warf seinem Kontrahenten mannschaftsschädigendes Verhalten vor.
Dies wiederum will ter Stegen nicht auf sich sitzen lassen. „Fußball ist auch Leid, Freude und Enttäuschung“, sagte der Weltklassekeeper, der sich offensichtlich gut auf die Frage nach dem Zwist vorbereitet hatte. „Über die letzten Jahre sieht man, wie ich mich verhalten habe.“
Damit wolle ter Stegen das Thema „beenden“ – was ihm ganz sicher nicht gelingen wird. Bundestrainer Joachim Löw droht ein Kampf zweier Torhüter-Alphatiere mit offenem Visier, wie es ihn zuletzt zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann gegeben hatte.
Viel Hoffnung gibt es für Marc-Andre ter Stegen nicht. „Ich kann ihn verstehen“, sagte Bundestorwarttrainer Andreas Köpke zwar im „Welt“-Interview, „aber es ist nun mal eine Position, auf der wir stark besetzt sind und man leider nicht jedem Torhüter gerecht werden kann.“ Die klare Botschaft dahinter: Neuer ist und bleibt die Nummer eins bei Löw.
Doch Neuers Mahnung an ter Stegen, Torhüter müssten „zusammenhalten“, ist von der Realität erst einmal weit entfernt. Da ist einer, der seinen Frust rauslässt und sich dann unnötig gemaßregelt fühlt – von seinem Rivalen.
Köpke hatte von einem aufkommenden Streit zwischen den Torhütern nichts wissen wollen. Er habe „kein Problem“ damit, „denn da ist nichts unter die Gürtellinie gegangen“, sagte er. Nun aber bietet ter Stegen der Nummer eins offen die Stirn.
Ex-Nationaltorhüter Bodo Illgner, einst im engen Duell mit Köpke, sieht nun vor allem Löw in der Pflicht. „Nun sind die Trainer gefordert, ein Gleichgewicht zu finden“, sagte der Weltmeister von 1990. Sollte Löw im Disput um die Hierarchie im Tor keine Einigung herbeiführen, sei es zugunsten einer „guten Atmosphäre“ im DFB-Team „besser, wenn man auf einen der beiden verzichtet“, ergänzte Illgner. Für Jens Lehmann wäre dies dann ter Stegen. „Wenn beide einhundert Prozent spielen, dann ist Neuer besser. Er hat halt alles und ist komplett“, sagte der Ex-Nationalkeeper bei Sky90.
Nach dem WM-Desaster 2018 hatte Löw ter Stegen mehr Einsatzzeit in Aussicht gestellt. In diesem Jahr durfte ter Stegen aber nur eine Halbzeit im Test gegen Serbien (1:1) auflaufen. Gegen Argentinien (9. Oktober) oder vier Tage später im EM-Qualifikationsspiel in Estland könnte ter Stegen eine neue Bewährungschance erhalten. dpa