Klopp und die Anekdoten

Auf ein Bier mit dem Menschenfänger

von Redaktion

DANIEL MÜKSCH

Selten bin ich zu einem Interview nervöser gereist, als zu Jürgen Klopp – damals noch in Dortmund an der Seitenlinie aktiv. Aber bereits ein nationaler Fußball-Heiliger. Seine Auftritte im TV schon seinerzeit legendär und „Heavy-Metal-Unterhaltung“. Eigentlich kann ein Treffen mit so einer Persönlichkeit nur enttäuschen. Bei Moderator Harald Schmidt hatte ich das schon einmal erlebt. Im schlimmsten Fall reist man mit der Erkenntnis zurück: Der ist nur am Bildschirm eine fesselnde Persönlichkeit. Bei Jürgen Klopp war diese Angst allerdings unbegründet.

Selten habe ich einen Menschen getroffen, der von der ersten Minuten an in der Lage ist, Nähe aufzubauen, ohne sich dabei als Selbstdarsteller zu offenbaren. Klopps goldenes Mittel dagegen: Selbstironie. Zu Beginn des Gespräch erzählte er die Geschichte, wie er sich nach seinem Abitur mit einem Freund bei den Gebirgsjägern der Bundeswehr verpflichtete. „Den ganzen Tag nur Skifahren – das schien genau unser Ding“, sagte er. Allerdings folgte schnell die Ernüchterung: „Als wir merkten, dass wir den Berg nicht nur runterfahren dürfen, sondern auch hochlaufen müssen, war unsere Soldatenzeit umgehend beendet. Gebirgsjäger ohne Skilift – das war nichts für uns.“

Es folgte eine Anekdote auf die nächste. Aber nicht das Geschichten erzählen war seine größte Stärke, sondern das Interesse: Auf seine Anekdoten folgten immer persönliche Nachfragen an den Gesprächspartner, den er zum ersten Mal im Leben gesehen hatte.

In Geschichten über Jürgen Klopp taucht normalerweise mindestens einmal der Begriff „Menschenfänger“ auf. Er soll veranschaulichen, wie Klopp es vermag, die Herzen seines Umfelds zu erreichen. Seit dem persönlichen Treffen mit dem heutigen Welttrainer kann ich dieser Charakterisierung nur zustimmen und mir lebhaft vorstellen, wie er auch seine Spieler „einfängt“. Egal ob sie Mo Salah, Mario Götze oder Manuel Friedrich heißen. Seine fachliche Qualifikation als Basis für das Vertrauen seiner Spieler und Mitarbeiter vorausgesetzt.

Fast vier Stunden hat sich Klopp damals im Ruhrpott für unser Gespräch Zeit genommen. Ich wäre gerne mit ihm danach noch weiter gezogen. In die nächste Kneipe um die Ecke und hätte seinen Geschichten bei einem Bier gelauscht. Oder zwei. Oder drei.

Daniel.Mueksch@ovb.net

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