Gewählt werden ohne goldene Uhren

von Redaktion

DLV-Präsident Kessing will in Doha ins höchste Leichtathletik-Gremium

DLV-Präsident Jürgen Kessing spricht über seine angestrebte Wahl ins IAAF-Council, die Probleme der Leichtathletik und Christoph Harting.

Herr Kessing, Sie wollen sich ins Council der IAAF wählen lassen. Haben Sie sich schon goldene Uhren besorgt?“

(Lacht) Natürlich nicht Aber ich weiß, worauf Sie anspielen.

Vor vier Jahren in Peking wurde Ihr Vorgänger Clemens Prokop nicht ins Council gewählt. Hinterher machten Gerüchte die Runde, dass am Vorabend goldene Uhren an Delegierte verteilt wurden. Was lässt Sie hoffen, dass es diesmal fairer zugeht?

Ich denke, dass die IAAF sich eine Compliance-Regelung gegeben hat, die solche Dinge ausschließt. Es ist klar geregelt, wie man seine Bewerbung gestalten darf. Wenn sich jeder daran hält, sollte es keine Probleme geben.

Warum streben Sie dieses Amt an?

Im Council ist man unmittelbar dabei, wenn die großen Entscheidungen getroffen werden. Und die Leichtathletik steht an einem Scheitelpunkt, wir müssen schauen, dass wir in der öffentlichen Wahrnehmung wieder einen deutlich höheren Stellenwert bekommen. Da hat uns der Fußball nicht nur national, sondern auch international abgehängt. Da gibt es durchaus Ansätze, wie man die Sportart attraktiver machen kann – etwa die Formate reformieren, um den Spannungsbogen hochzuhalten. Das ist uns bei der EM 2018 in Berlin ganz gut gelungen.

Ein weiteres Problem ist der Kampf um den Nachwuchs, potenzielle Talente haben heute immer mehr Möglichkeiten, der eSport boomt. Wie kann die Leichtathletik da bestehen?

Wir haben so tolle Athletinnen und Athleten, dass man den Kindern einfach vermitteln muss, dass es nicht das allein Seligmachende ist, wenn man vor dem Smartphone hockt und nur den Daumen bewegt. Sondern dass man sich auch herausfordern muss und der Körper Bewegung braucht, in der Regel auch nach Bewegung schreit.

Wenn Sie ins Council gewählt werden, würden Sie sehr eng mit Sebastian Coe zusammenarbeiten. Wie bewerten Sie seine bisherige Präsidentschaft?

Er hat in einer schwierigen Situation so gut gearbeitet, dass es bei der Wahl zum Präsidenten keinen Gegenkandidaten gibt. Er hat den Verband in deutlich ruhigeres Fahrwasser gebracht, die IAAF ist wirtschaftlich stabil, und er zeigt eine gute und klare Haltung im Anti-Doping-Kampf.

Eine weitere Altlast ist die anstehende WM in Doha.

Mit der Vergabe der WM hat man einen rechtlich bindenden Vertrag abgeschlossen, dieser wird eingehalten. Die Rahmenbedingungen sind sicherlich nicht optimal und leistungsfördernd, aber sie sind für alle gleich. Der späte Zeitpunkt, die klimatischen Verhältnisse – das sind echte Herausforderungen für die Athleten. Aber das ist alles nur ein Vorgeschmack auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, da werden wir ähnliche Temperaturen haben und vermutlich eine deutlich höhere Luftfeuchtigkeit.

Gibt es eine konkrete Medaillenvorgabe für die deutschen Starter?

Nein. Wir wünschen uns natürlich möglichst viele Medaillen, aber wir dürfen uns auch nichts vormachen: Unsere Möglichkeiten sind überschaubar. Wir haben ein paar ganz gute Eisen im Feuer, aber es muss vor Ort dann auch alles passen, damit wir etwas zu feiern haben.

Christoph Harting ist nach einem bemerkenswerten Auftritt nun doch dabei. Wollen Sie jetzt so etwas wie eine Wiedergutmachung von ihm sehen?

Es sind nach den Deutschen Meisterschaften in Berlin mit ihm Gespräche geführt worden. Er hat dann auch Besserung gelobt. Und ich denke auf dem Weg zum Erwachsenwerden wird er auch eine tolle Leistung bringen.“

Interview: sid

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