Frankfurt – Fritz Keller saß bereits fertig verkabelt in der dritten Reihe, war aber beim 43. Ordentlichen Bundestag noch gar nicht zum neuen Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gewählt, als bereits die Messlatte gelegt wurde: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sprach von der „eierlegenden Wollmilchsau“, die der neue DFB-Chef geben müsse. Eine Einschätzung, die Keller später dazu verleitete, sein vorbereitetes Redemanuskript für die Bewerbungsrede beiseitezulegen. Und so stellte sich der einzige Kandidat spontaner und unstrukturierter vor als geplant. An einer überwältigenden Zustimmung im großen Saal des Kongresszentrums der Frankfurter Messe hat das nichts geändert: Ohne Enthaltung und ohne Gegenstimme wurde der südbadische Winzer, Gastronom und Hotelier von den 257 stimmberechtigten Delegierten zum 13. Amtsinhaber in der 119-jährigen Geschichte des krisengeplagten Verbandes gekürt. Sein Versprechen: „Ich gebe alles!“
Die Wahl des 62-Jährigen für die nächsten drei Jahre geht einher mit der Hoffnung, dass eine allseits respektierte Persönlichkeit zum Versöhner taugt, damit der DFB nach seinem Ansehensverlust wieder „zu einem glaubwürdigen Partner wird“, wie der mit einigen seltenen Gegenstimmen zum Vizepräsident wiedergewählte Interimschef Rainer Koch herausstellte. Der als Ligapräsident verabschiedete Reinhard Rauball redete Klartext: „Es ist an der Zeit, endlich den DFB in ruhigeres Fahrwasser zu führen.“ Kellers Motto: „Nur gemeinsam geht’s.“ Er will Vertrauen an der Basis und in der Gesellschaft zurückgewinnen.
Der Verband vertrete immerhin mehr als sieben Millionen Mitglieder, rund 25 000 Vereine, „bei diesen Zahlen wird mir jedes Mal schwindlig“, sagte der sichtlich nervöse Keller, der den DFB zum „seriösen Anwalt und Dienstleister“ machen will. Seine Lebensplanung habe eigentlich anders ausgesehen, nun will er für eine „effektive Generalinventur“ sorgen. Am Ende klatschte ausnahmsweise auch der zurückgetretene Präsident Reinhard Grindel. Sein Nachfolger sprach mehrere Punkte an, um die große Kluft wieder ein bisschen kleiner zu machen. „Wir sind eine Integrationsmaschine.“ An die Politik richtete er den Appell, das Vereinsrecht aus der „Wilhelminischen Zeit“ endlich zu reformieren. Sogar auf den Klimawandel ging der Winzer ein: „Wir sind mit dem Wein sechs Wochen früher dran als früher. Es ist fünf vor zwölf.“
Keller muss es schaffen, von den vielfältigen Aufgaben nicht zermalmt zu werden wie seine Vorgänger. Der geschäftliche und ideelle Bereich werden künftig in der DFB GmbH und im DFB e.V. getrennt. Keller sprach zudem neben einer neuen Organisationsstrukur auch von einer „neuen Umgangskultur“.
Der Abschwung des Fußballstandortes ist im Nachwuchs sichtbar. Wer die männlichen U-Nationalteams nach Toptalenten durchforstet, stellt fest: Da kommt nicht mehr viel. DFB-Direktor Oliver Bierhoff rüttelte mit seinem Vortrag „Projekt Zukunft – für die Weltmeister von morgen“ auf und forderte „einen beherzten Schritt“ von DFB und DFL. Das Problem: zu viel Ergebnisorientierung, zu frühes Selektieren der Talente, zu wenig Freiräume für die persönliche Entwicklung und letztlich fehlende Möglichkeiten auf höchstem Niveau. Bierhoff: „Momentan steht die persönliche Entwicklung nicht im Vordergrund.“ Seine Analyse: „Immer weniger junge deutsche Spieler schaffen den Sprung in die ersten Mannschaften der Bundesligisten, 2017/18 30 Prozent weniger als im Jahr 2006.“
Interessant, dass Amateurvertreter Koch mit dem Auslaufen des Grundlagenvertrags 2023, der die Zahlungsströme zwischen Profi- und Amateurfußball regelt, eine neue Stoßrichtung vorschlug. Aus seiner Sicht besitzt der DFB „keinen geborenen Rechtsanspruch auf die Einnahmen aus dem Profifußball“, gleichwohl benötige der DFB gerade im Zuge des Projekts Zukunft „erhebliche Mittel“ als „zweckgebundene Leistungen, um die Mädchen und Buben zu fördern, die unsere Zukunft bilden“. Koch will gemeinsam mit den Bundesligaklubs ein „Haus des deutschen Fußballs“ zimmern.