Auch Neuss hat einen „Kölner Keller“

von Redaktion

Wie die DEL schneller und souveräner auf Streitsituationen reagieren will

VON GÜNTER KLEIN

München – Am Freitag verloren die Grizzlys Wolfsburg 2:3 in München, am Ende flogen ein paar Hände hin und her, und Charly Fliegauf, Manager des Gäste-Clubs, war sauer wegen eines Cross-checks des Münchner Verteidigers Keith Aulie und wegen der Leistung von Markus Schütz, einem der Schiedsrichter, der zu lange zu viel hatte durchgehen lassen. Fliegauf empörte sich, „dass der schon drei Jahre DEL pfeift, obwohl er schlecht ist“. Es könne keine Rechtfertigung sein, dass man keine anderen Referees zur Verfügung habe. „Ich würde einem Spieler, der zwei Jahre nichts bringt, keinen Vertrag für eine dritte Saison geben.“

Mit Kritik an Offiziellen hat die Deutsche Eishockey-Liga ein Problem – dieser Eindruck ist in den vergangenen Jahren entstanden, es wurden Geldstrafen ausgesprochen für Funktionäre, die sich in diese Richtung geäußert hatten. Reagiert die Ligenleitung in Neuss nun liberaler?

Gernot Tripcke, der Geschäftsführer und starke Mann der DEL, sagt: „Ich will es raushaben, dass es heißt, bei uns gebe es einen Maulkorb oder Zensur.“ Die Liga setze ja eigentlich nur um, „was die Sportlichen Leiter unserer Vereine mit 13:1 Stimmen beschlossen haben: ihre Trainer anzuweisen, dass sie Schiedsrichterleistungen in der ersten Emotion nicht thematisieren.“ Und ihn als Ligenchef habe man aufgefordert: „Zieh die Grenze, was wir als unsportlich definieren sollen.“ Tripcke war dann rigoros, einige Trainer bekamen Geldstrafen, der Münchner Coach Don Jackson wurde 2018/19 zweimal zur Kasse gebeten.

Auf dieser Seite war die Liga streng, auf der anderen erweckte sie den Eindruck, zu viel durchgehen zu lassen. Die Disziplinarkommission unter Ex-Profi Tino Boos sprach kaum einmal eine Sperre aus, wenn ein Spieler einen Gegner oft mit Check gegen den Kopf umgerumpelt hatte. Die Milde mit den Tätern kam nicht gut an in der Öffentlichkeit.

In dieser Saison versucht die DEL das Bild von sich zu verändern. Tino Boos wollte nicht länger Buhmann der Medien sein und gab den Disziplinarvorsitz ab. Nun beurteilt Lorenz Funk junior die Szenen. Die DEL hat ihn teilzeitangestellt, Funk wollte nicht nach Neuss ziehen, sondern in Bayern wohnen bleiben – er soll aber auch für Distanz stehen. Tripcke: „Er ist als Ex-Spieler und Ex-Manager fachlich supernah dran, hat aber mit keinem Club zu tun.“ Und weil Funk, 50, sechs Jahre älter ist als Boos, unterhält er kaum noch Beziehungen zu den aktuellen Spielern. „Tino Boos hat es in der Seele wehgetan, als er in den Playoffs Moritz Müller, mit dem er zehn Jahre in Köln gespielt hat, sperren musste.“

Über Funk junior sagt Tripcke, dass er auf Fouls „allergischer“ reagieren werde. Und tatsächlich: Gegen den Münchner Mark Voakes und den Wolfsburger Jeff Likens ist Funk nach schweren Checks mit Sperren eingeschritten. Es gab allerdings auch Ermittlungsverfahren, die er einstellte.

Tino Boos hat derweil eine neue Aufgabe gefunden: Er leitet das „Game Center“, das sich die DEL eingerichtet hat. Im Grunde ein „Kölner Keller“ wie im Fußball – nur ohne die Option, in die Spiele einzugreifen. An sieben Arbeitsplätzen werden die Partien live verfolgt, alles, was auffällt, wird festgehalten: unzureichende Beleuchtung, unpünktlicher Beginn, Verstöße jedweder Art – doch auch Positives wie faire Aktionen. Wer von Neuss aus ein Spiel betreut, muss alle Auffälligkeiten an die jeweilige Abteilung weiterleiten. Gernot Tripcke sagt stolz: „Wir haben jetzt eine Struktur. Und für alles einen Ansprechpartner. Die Vereine müssen sich nicht mehr über die Presse wehren.“

Auch Wolfsburgs Charly Fliegauf richtet sich danach. Der Reporter war nicht der erste, an den er seine Unzufriedenheit adressierte. Seine Kritik an Referee Schütz hatte er kur zuvor per WhatsApp Schiedsrichterchef Lars Brüggemann mitgeteilt.

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