München – Gernot Weigl war am Wochenende mit der Organisation des München Marathon ausgelastet. Die zwei Stunden – oder genauer: 1:59:40 Stunden – am Samstagmorgen hat er sich aber freigeschlagen. Am Fernseher verfolgte er den ersten Marathonlauf unter zwei Stunden: das Projekt um den kenianischen Starläufer Eliud Kipchoge unter besten Bedingungen im Wiener Prater. Die Läuferwelt spricht darüber – das war auch am Sonntag in München so, wo die Siegerzeit (Andreas Straßner, 2:28:51) natürlich um Klassen bescheidener war.
Man könnte meinen, ein klassischer und solider Marathon-Veranstalter mit Blick auf den Breitensport wie Gernot Weigl stünde den Geschehnissen in Wien skeptisch gegenüber. Doch dem ist nicht so. Gernot Weigl war fasziniert von der Perfektion der Abläufe, dem Wechselspiel der Tempomacher. Für anstößig hält er diese Unterstützung nicht: „Bei den Sechstagerennen im Radsport gibt es auch Rennen mit Schrittmachern – warum nicht auch in der Leichtathletik?“ Weigl hat kürzlich die WM in Doha verfolgt und fragt sich, „ob wir dort wirklich die moderne Leichtathletik gesehen haben, wenn beim Weitsprung neben der Grube der Kampfrichter sitzt und er die weiße oder die rote Fahne hebt“. Sei ein Event wie das in Wien nicht attraktiver? Und somit „die Zukunft der Leichtathletik“?
Günther Zahn hat am Samstag auch immer wieder einen Blick in die Übertragung geworfen. 1972 war er als 18-jähriges Mittelstreckentalent der letzte Fackelläufer, der das Feuer für die Olympischen Spiele entzündete, heute, als Pensionär, trainiert er die Langstreckenläufer der LG Passau. Er ist einer, der hinterfragt, wie Höchstleistungen zustandekommen, hat sich der Faszination des Kipchoge-Laufs aber nicht entziehen können. „Sein Gesichtsausdruck war nach dem Rennen genauso wie davor.“ Als hätten ihn die 42,195 Kilometer kein bisschen angestrengt. „Ich glaube“, sagt Zahn, „der kann es noch schneller.“
Bianca Meyer ist die beste Münchner Läuferin, mit 44 Jahren wurde sie am Sonntag Dritte hinter einer Russin und einer Brasilianerin. Ihr Leben dreht sich ums Laufen, sie ist Trainerin mit eigener Firma, hatte in München 30 ihrer Schützlinge am Start, bereitete sie bis wenige Minuten, bevor es losging, auf das Rennen vor.
Sie beurteilt den Kipchoge-Lauf aus fachlicher Sicht. „Großartig, wie die das Rennen eingeteilt haben. Die Streuung bei den Kilometer-Zeiten betrug drei Sekunden, oft sind es 15 bis 20.“ Auch in der Spitze. Die 1000-Meter-Abschnitte von Kipchoge lagen im Schnitt bei 2:53 Minuten. „Meine Bestzeit sind 2:56 – ich hätte keinen einzigen Kilometer mithalten können.“ Für Bianca Meyer wie auch für Gernot Weigl waren die 1:59:40 von Kipchoge „eine Wahnsinnsleistung“.
Andreas Straßner, Sieger in München, fand es nicht so gut, „dass man es erzwingen muss, die Schallmauer zu durchbrechen“. So stehen nun zwei Zeiten nebeneinander: der offizielle Weltrekord von Kipchoge aus dem Berlin Marathon 2018 (2:01:39) und die mit Tempomachern und Ideal-Bedingungen (überhöhte Kurven, neuer Asphalt) erzielten 1:59:40. „Wäre schöner, wenn die zwei Stunden in einem normalen Rennen unterboten worden wären.“
Das erscheint nun nicht mehr unrealistisch. Prognose von Bianca Meyer: „Wir werden es bald und öfter erleben.“