München – Vor gut einem Monat wurde Joachim Löw noch belächelt. Damals ließ der Bundestrainer in einer Pressekonferenz ohne Not verlauten: „Gnabry spielt immer.“ Da Löw seine Aussage mit einem für ihn typischen Schmunzler abschloss, war zunächst nicht ganz klar, wie ernst es Löw mit seiner Aussage meinte. Nach den letzten beiden Länderspielen gegen Argentinien und Estland muss man allerdings konstatieren: Hoffentlich hat es Löw ernst gemeint.
Beim 2:2 gegen Argentinien vergangenen Mittwoch wirbelte der Bayern-Angreifer die Abwehr der Südamerikaner im Alleingang durcheinander. Mit elf Toren in seinen bisherigen zehn DFB-Auftritten avanciert der 24-Jährige zur Torgarantie.
Wie unverzichtbar er für das deutsche Spiel schon ist, wurde allerdings erst klar, als er gegen Estland wegen muskulärer Beschwerden nicht mitmischen konnte. Ohne Gnabry mangelt es dem deutschen Spiel an Geschwindigkeit und Kreativität. Technisch hoch veranlagte Offensivspieler wie Brandt, Havertz oder Reus sind sich in ihrer Spielanlage zu ähnlich – Timo Werner fehlt es im DFB-Trikot noch an Konstanz.
Von Gnabrys Stärke auf hohem Niveau profitiert nicht nur Joachim Löw – sondern vor allem der FC Bayern. Schneller als befürchtet, hat Gnabry die Klubikonen Franck Ribery und Arjen Robben sportlich vergessen lassen. Vor der Saison machten sich viele Fans und Beobachter Sorgen, dass den „neuen“ Bayern die Durchschlagskraft auf den Außen fehlen würde. Nach dem bisherigen Saisonverlauf steht fest: Diese Angst war unbegründet – dank Serge Gnabry. Der Höhepunkt der Gnabry-Festspiele: seine vier Tore beim 7:2 der Bayern gegen Tottenham.
Jochim Löw ist schon lange ein großer Fan des Bayern-Stars. Am Rande des Spiels gegen Estland bemerkte der Bundestrainer, dass er Gnabry schon mit 18 Jahren für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien nominieren wollte. Mehrfach sei er in London gewesen und habe den damaligen Spieler von Arsenal beobachtet. Allerdings stoppte eine Knieverletzung eine noch frühere Nationalmannschaftskarriere des gebürtigen Stuttgarters. Danach geriet die Laufbahn des Torschützenkönigs der Olympischen Spiele von 2016 jedoch ins Stocken. Besonders sein Abstecher von den Gunenrs zu West Bromwich hatte ihm Selbstvertrauen gekostet –was auch sein Ex-Trainer Arsene Wenger vor kurzem noch einmal bestätigte. Gnabry musste sich über viele kleinere Stationen wieder ins Rampenlicht spielen. Mit beeindruckendem Erfolg.
Egal ob beim DFB oder dem FC Bayern: Serge Gnabry kann den Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Mannschaft ausmachen. DANIEL MÜKSCH