München – Am Montagmorgen hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf seinen Internetkanälen ein Foto veröffentlicht. Es zeigt die Reisegruppe der Nationalmannschaft in ihrem Hotel in Estlands Hauptstadt Tallinn, wo die DFB-Elf am Sonntagabend in der EM-Qualifikation 3:0 gewonnen hat. In der Bildmitte steht Kapitän Manuel Neuer, der seine Arme um zwei Spieler gelegt hat: Ilkay Gündogan und Emre Can. Unter dieses Gruppenfoto schrieb der DFB noch einen Satz: „Gemeinsam für Offenheit, Vielfalt und Toleranz. Gegen jede Form von Gewalt und Diskriminierung.“ In nur fünf Stunden erhielt das Bild mehr als 40 000 Likes. Eines davon kam von Can persönlich.
Es ist eine passende Pointe, dass der DFB jene komplizierte Debatte, die durch zwei Likes überhaupt erst ausgelöst wurde, nun mit einem Foto und vielen Likes zu beenden versucht. Doch so leicht wird sich wohl kaum wieder einfangen lassen, was seit Sonntag in Deutschland als „Foto-Affäre“ diskutiert wird. Zur Erinnerung: Die deutschen Nationalspieler Can und Gündogan haben ein Bild salutierender türkischer Nationalkicker – ein Tribut an die türkische Armee, die gerade etliche kurdische Ziele in Nordsyrien angreift – auf Instagram mit „Gefällt-mir“ markiert, ehe sie dieses Like später wieder zurückzogen. Der türkische Kicker Cenk Tosun hatte das Bild veröffentlicht. Und so wird nach den Erdogan-Fotos von Mesut Özil und Gündogan im WM-Sommer 2018 wieder diskutiert.
Gündogan hält die Reaktionen auf seine Instagram-Aktivität für überzogen und macht auch gar keinen Hehl daraus: „Das ist krass, was für Geschichten heute gemacht werden. Ich dachte, ich like das Foto eines Freundes, der ein Tor gemacht hat, der eine Zeitlang bei mir gelebt hat und der eine schwierige Zeit bei Everton hatte. Das Bild haben tausende andere geliked, Fußballer aus der ganzen Welt. Dass dann gerade wir zwei rausgepickt werden und so eine Geschichte draus gemacht wird, das ist ein bisschen schade.“ Gündogan beteuert: „Da war natürlich absolut keine politische Absicht dahinter. Emre und ich sind beide konsequent gegen jeglichen Terror und gegen jeglichen Krieg, egal, wo er auf der Welt geführt wird.“ Ähnliche Töne schlug auch Can an: „Ich hab den Post von Tosun, den ich schon lange kenne, beim Scrollen geliked, ohne jegliche Intention und auf den Inhalt zu sachten. Ich bin ein absoluter Pazifist.“
Rückendeckung erhalten die Spieler sowohl von DFB-Direktor Oliver Bierhoff als auch von Bundestrainer Jogi Löw. „Es ist mittlerweile auch für sie schwer, das einzuschätzen. Es gibt viele Spieler auf der Welt, die das geliket haben. Dann kann man ja nicht allen unterstellen, dass sie für Krieg und Terror sind“, sagte Bierhof. Trotzdem ermahnt er seine Spieler: „Sie sind Vorbilder, Tausende eifern ihnen nach und folgen ihnen auf ihren Social-Media-Kanälen. Sie müssen sich der großen Verantwortung und der Wirkung bewusst sein, die jede ihrer Aussagen und Aktionen nach sich ziehen können. Da darf es keinen Raum für Interpretationen geben.“ Der Verband vertraue ihren Erläuterungen aber.
Löw will von einem politischen Statement seiner Spieler ebenfalls nichts wissen: „Wer beide Spieler kennt, der weiß, dass sie gegen Terror, gegen Krieg sind. Beide wollten dem Spieler, mit dem sie mal zusammengespielt haben, einfach nur gratulieren.“ Anschließend wies der Bundestrainer darauf hin, dass Gündogan mit seiner Gala-Leistung das beste Statement auf dem Platz gegeben habe: „Er hat die Mannschaft in Unterzahl hervorragend geführt.“ Allerdings geriet der starke Auftritt des Mittelfeldspielers trotz zweier Toren und einer sehenswerten Vorlage freilich in den Hintergrund.
Gestern hat sich dann auch noch die UEFA gemeldet. Sie kündigte an, wegen des Torjubels der Türken und ihr Tribut an die Armee ein Verfahren gegen den türkischen Verband einzuleiten. Zunächst werden Stellungnahmen von den Beteiligten eingeholt. Am Donnerstag tagt die zuständige Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer der UEFA.