Joachim, der Baumeister

von Redaktion

Probleme mit der neuen Spielidee, keine Außenverteidiger – Löw ist gefordert

VON MANUEL BONKE

München – Der vorletzte Länderspiel-Doppelpack des Jahres ist vorbei. Was die junge Mannschaft von Joachim Löw nach dem Remis gegen ersatzgeschwächte Argentinien (2:2) und dem hart erkämpften Sieg gegen Estland (3:0) hinterlässt, ist ein mulmiges Gefühl. Ein gutes halbes Jahr vorm Start der Europameisterschaft offenbaren die jüngsten Auftritte die größten Baustellen des DFB-Teams.

1. Die neue Spielidee verursacht Schwierigkeiten: „Diese Woche ist viel falsch gelaufen durch die ganzen Verletzungen und Absagen. Im Training konnten wir wenig einstudieren. Gegen Argentinien war die erste Halbzeit gut, gegen Estland jetzt die zweite“, resümierte Löw nach dem Spiel in Estland. Während der vergangenen acht Tage wurde der Bundestrainer nie müde, zu betonen, wie wichtig es gewesen wäre, hätte sich seine Mannschaft einspielen können. Aus gutem Grund: Löw will seine neue Spielidee den Nationalspielern so schnell wie möglich eintrichtern. Vorbei sind die Zeiten des reinen Ballbesitzfußballs, es soll ein schnelles Umschaltspiel her, um die Geschwindigkeit von Spielern wie Gnabry, Sané und Werner zu nutzen – auch gegen kleine Gegner. „Wir haben einen Umbruch eingeleitet und da steht mittlerweile für uns im Mittelpunkt, dass wir schnell nach vorne spielen, schnell umschalten. Das versuchen wir in jedem Spiel anzuwenden“, verriet Kai Havertz. Gegen Estland war aber deutlich zu sehen, dass diese Taktik noch lange nicht perfektioniert ist. Im Sommer müssen lange verletzte Spieler wie Sané ins System integriert werden.

2. Führungen werden häufig hergeschenkt: Kapitän Manuel Neuer war im Großen und Ganzen mit den Länderspielen zufrieden. Nur eine Sache bereitet ihm Kopfzerbrechen: Dass eine Führung leichtfertig hergegeben wird. Neuer: „Damit müssen wir uns auseinandersetzen – wie wir das in den Griff bekommen, dass uns nach Führungen nichts mehr passiert.“ Bei einem EM-K.o.-Spiel kann das tödlich sein.

3. Vorne fehlt ein echter Knipser: Dass Serge Gnabry aktuell einen unglaublichen Lauf hat, lenkt von einem DFB-Problem ab: Es fehlt nach wie vor ein echter Stürmer. So lange Gnabry als offensiver Freigeist im Sturmzentrum seine Form beibehält und für Tore sorgt, fällt das nicht weiter auf. Sollte er aber in ein Formtief fallen oder sich verletzen, hat Deutschland ein großes Problem. Wie schwer sich die deutschen Angreifer unter Löw nach wie vor tun, hat das Spiel gegen Estland gezeigt.

4. Die Außenverteidiger sind zu schwach: Die Leipziger Abwehr-Zange mit Lukas Klosermann und Marcel Halstenberg ist zwar stets bemüht, doch ihr Einsatz täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass sie fußballerisch limitiert agieren. Vor allem gegen schnelle Angreifer tut sich das Leipzig-Duo immer wieder schwer und ist mit seinem schlechten Stellungsspiel immer für einen Patzer gut. Allerdings fehlen dem Bundestrainer auf diesen Positionen auch die Alternativen – zumal Bayern-Spieler Joshua Kimmich inzwischen als Sechser gesetzt ist und Jonas Hector im DFB-Dress nicht mehr stattfindet. Der Dortmunder Nico Schulz wäre auf links eine Alternative, allerdings auch nicht von Weltklasse-Format.

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