München – Wenn eine Ikone abtritt, geschieht das in der Regel nicht geräusch- und schon gar nicht emotionslos. Üblich im Fußball ist, dass sich der scheidende Spieler mit seinem Verein hinsetzt – und dann wird eine gemeinsame Erklärung formuliert, in der nicht mit warmen Worten gespart wird. Bei den Löwen und dem scheidenden Sascha Mölders, 34, lief das unter der Woche anders. Der Stürmer gewährte der „Augsburger Allgemeinen“ eines seiner selten gewordenen Interviews und ließ dort beiläufig fallen, dass er genug hat vom höherklassigen Fußball mit all seinen Begleiterscheinungen. „Ich war von Anfang an in Saschas Pläne eingeweiht“, erklärt dazu Günther Gorenzel. „Mit Sicherheit war das nicht der übliche Weg. Ich denke, Sascha hat sich im Interview locken lassen.“ Der Sportchef glaubt nicht, dass es Mölders’ Ansinnen war, sein Karriereende über die Presse zu verkünden. Was Gorenzel grundsätzlich über eine Löwen-Zukunft ohne den Aufstiegshelden denkt, verrät er im Interview.
Herr Gorenzel, die Löwen verlieren Sascha Mölders. Hätte er angesichts seines Alters überhaupt die Möglichkeit gehabt, zu bleiben, sprich: seinen Vertrag zu verlängern?
Über dieses Szenario brauchten wir uns überhaupt keine Gedanken zu machen, denn Sascha hat sich von Anfang an ganz klar positioniert. Er wird im März 35 Jahre alt, war 15 Jahre im Profigeschäft unterwegs – in der Summe kommt das nicht überraschend für mich. Wir haben schon länger die Suche nach einem Nachfolger in die Wege geleitet.
Ist denn ein Typ wie Mölders überhaupt zu ersetzen? Er schießt ja nicht nur Tore, sondern verkörpert auch den Fußball, den man auf Giesings Höhen sehen will. Die Fans lieben ihn.
Als Stürmer und Identifikationsfigur wird er eine große Lücke reißen, das ist ja ganz klar. Wenn wir Mölders auf ein Spielerprofil reduzieren, ist er ziemlich komplett, weil er technisch und taktisch vieles mitbringt, Bälle behauptet, einen guten Körper hat, Erfahrung, weil er in der Kabine gehört wird, die jungen Spieler auf ihn schauen – und weil er immer alles gibt.
Wenn man es positiv sehen will, könnte man sagen: Damit werden wenigstens gewisse finanzielle Mittel frei. Mölders soll ja kein Geringverdiener gewesen sein.
Stürmer dieses Kalibers haben nun mal ihren Preis. Auch der mögliche Nachfolger wird und kann keine Billiglösung sein.
Wo will 1860 überhaupt so einen Stürmer finden?
Wir schauen uns in Österreich um, in Norwegen, Dänemark, Frankreich. Natürlich auch in Deutschland, aber solche Spieler sind sehr gefragt am Markt. Jeder sucht solche Stürmer. Als Persönlichkeit wird Sascha nie eins zu eins zu ersetzen sein. Aber: Es ist auch wieder eine Chance für andere Spieler, in eine stärkere Führungsrolle hineinzuschlüpfen.
Nötigt es Ihnen Respekt ab, wie er es geschafft hat, offensichtliche Fitnessmängel über die Mentalität auszugleichen?
Dass man als 34-Jähriger nicht mehr ausschaut wie ein 20-Jähriger, ist nachvollziehbar, aber am Ende des Tages sind die Einstellung und die Wettkampfhärte entscheidend – und da musste sich Sascha nie etwas vorwerfen lassen. Solange er auf dem Platz steht, gibt er alles – bis er nicht mehr laufen kann. Auch in dieser Hinsicht hat er eine Vorbildfunktion.
Sorgen um seine Motivation muss man sich also nicht machen, wenn Mölders seinem Karriereende entgegenstürmt?
Nein, wer Sascha kennt, der weiß, dass er bis zum letzten Atemzug alles für 1860 geben wird. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.
Trauen Sie ihm zu, ein guter Trainer zu werden? Er hat ja selber gesagt, dass in ihm eher kein Vertreter der „Laptop-Generation“ schlummert . . .
Er kommt natürlich aus einer anderen Generation, aber ich traue es ihm absolut zu. Wobei aus meiner Sicht jedem ehemaligen Profispieler zwei, drei Jahre guttun, um erst mal in unteren Ligen oder im Nachwuchs Erfahrung zu sammeln. Und um erst mal die andere Perspektive kennenzulernen, bevor sie in der Bundesliga in der Gesamtverantwortung ihre Erfahrung einbringen.
Aus seiner Abschiedsankündigung klingt ja eine gewisse Verbitterung raus. Haben Sie auch das Gefühl, dass er mit dem modernen Fußball nicht mehr mitkommt?
Wie gesagt: Sascha kommt aus einer Generation, wo der Fußball noch anders dargestellt wurde. Das Drumherum ist heute viel wichtiger als zur Zeit, wo er angefangen hat. Aber das ist eine normale Entwicklung, denn in allen Bereichen unserer Gesellschaft hat sich in den letzten 15 Jahren vieles verändert, das ist eben der Lauf der Zeit.
Befürchten Sie, dass Mölders den Anfang gemacht hat und demnächst noch mehr Spieler mit auslaufendem Vertrag ihren Abschied verkünden?
Dieses Szenario, das da an die Wand gemalt wird, das teile ich überhaupt nicht. In Wahrheit haben sämtliche Spieler Optionen, die wir nur ziehen müssten. So gesehen haben wir für nächstes Jahr schon mehr als eine halbe Mannschaft beisammen. Wenn Sascha 28 oder 29 wäre, könnte man da etwas hineininterpretieren, mit Blick auf sein Alter gibt es da aber keinen Spielraum.
Was wünschen Sie Mölders für sein letztes halbes Karrierejahr?
Ich wünsche ihm vor allem, dass er verletzungsfrei bleibt – und dass er mit uns und seinen Fans noch viele tolle Erlebnisse vor heimischer Kulisse feiern kann.
Interview: Uli Kellner