Sorry, Thomas!

von Redaktion

Kovac entschuldigt sich für Notnagel-Aussage bei Müller – das Problem bleibt

VON HANNA RAIF

München – Entschuldigung kann man nicht oft genug sagen, und eine Entschuldigung auf großer Bühne hat noch mal eine andere Aussagekraft als eine, die unter vier Augen geäußert wurde. Niko Kovac fackelte gestern vor einem Auditorium im Presseraum des FC Bayern, dessen Größe den Bayern-Trainer selbst überrascht hatte, also gar nicht lange herum. Schnell ging es auf dieser ersten Pressekonferenz nach der Länderspielpause um Thomas Müller, und schnell sagte der Coach: „Die Aussage war ein Fehler von mir, ich habe mich falsch artikuliert.“ Übersetzt hieß dies: Müller ist kein Notnagel. Zumindest soll das öffentlich so dastehen.

Zwei Wochen zwischen zwei Spielen können lang sein, vor allem, wenn man die letzte Partie verloren (1:2 gegen Hoffenheim) und ein Thema losgetreten hat, das weite Kreise zieht. Zur Causa Müller, den Kovac im Rahmen des Hoffenheim-Spiels im Sky-Mikrofon zum offiziellen Ersatzmann degradiert hatte („wird spielen, wenn Not am Mann sein sollte“), haben sich viele Experten und solche, die es sein sollen, inzwischen geäußert. Karl-Heinz Rummenigge fand die Aussage „unglücklich“, Müller selbst beteuerte, die Geschichte sei nach einem Gespräch mit Kovac „ausgeräumt“. Sein Vorgesetzter bestätigte dies nun, sagte, Müller habe die Aussage „nie für bare Münze“ genommen. Außerdem habe er sie „nicht so gemeint, wie ich sie letztendlich gesagt habe“ und er sei „auch nur ein Mensch. So etwas passiert mir auch mal.“

Was nach Friede-Freude-Eierkuchen klingt, ist freilich nur oberflächlich gelöst. Das Grundproblem – Urgestein und langjähriger Leistungsträger ist kein Stammspieler mehr – wird Kovac und sein Team weiter begleiten. Der Kroate will es „objektiv“ lösen: „Ich versuche immer, die beste Lösung für den Spieltag zu finden.“ Dass es immer Härtefälle geben werde, sei das Schicksal eines Trainers: „Entweder man macht nichts richtig oder alles falsch.“

Im Fall Müller sind die Fakten eindeutig: Zuletzt stand der 30-Jährige am 14. September beim 2:2 in Leipzig in der Startelf, in den fünf Pflichtspielen danach kam er auf gerade mal 66 Minuten. In Tottenham, als die Bayern angeführt von Serge Gnabry aufdrehten und 7:2 gewannen, musste er komplett zusehen. Er selbst gibt zu, sich „Gedanken machen“ zu wollen, wenn sich die Situation nicht ändere und ein Weg vorbei an Philippe Coutinho nicht zu finden ist. Kovac weiß: „Alle, die nicht spielen, sind unglücklich.“ Trotzdem ist es keinesfalls sicher, dass Müller am Samstag in Augsburg in der Startelf steht.

Kovac muss sich entscheiden, welches Zeichen er an die Reservespieler senden will. Spielt Müller, ist die Botschaft: Öffentlich beschweren reicht, um in die Mannschaft zu kommen. Spielt er nicht, wird die Debatte um den einstigen Müller-spielt-immer-Müller neu befeuert. Aus sportlicher Sicht wäre Müller, der die Länderspielpause neben Training für einen Trip in die Berge nutzte, im Vergleich zu Coutinho sicher die bessere Alternative. Der Brasilianer hat eine Länderspielreise nach Asien in den Knochen.

Sieben Partien in 22 Tagen stehen ab Samstag an, Kovac will offiziell „zusehen, dass wir jedem Minuten geben und immer frische Kräfte haben.“ Die Personallage hat sich im Vergleich zur Situation vor der Pause deutlich entspannt. David Alaba ist „auf dem Wege der Besserung“, man wolle aber „nichts überstürzen“, auch Leon Goretzka ist wieder dabei („sukzessive einbauen“). Alle Nationalspieler sind gesund zurückgekehrt, die Einsätze der zuletzt angeschlagenen Lucas Hernandez und Serge Gnabry sogar denkbar. Über Letzteren sagte Kovac übrigens: „Stellen Sie sich mal vor, ich hätte den draußen gelassen. Was hätten Sie mir dann erzählt?“ Irgendwie klang durch, dass Gnabry im Moment wichtiger ist als Müller.

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