München – Als Maodo Lo an der Dreipunktelinie abbremste, rutschte Jordan Taylor einfach aus. Es war ihm ganz offensichtlich zu schnell gegangen, wie Lo, der Guard des FC Bayern, den Ball plötzlich zwischen den eigenen Beinen hindurchgeprellt hatte. Und als Taylor wieder auf Lo zustürmte, hatte dieser den Basketball in Richtung des Rings geworfen, durch welchen er dann auch brav flutschte.
Gestern Abend hat Lo, 26, nur sieben Minuten benötigt, um zu zeigen, wie vielseitig er angreifen kann. Einmal flitzte er den Verteidigern von ASVEL Villeurbanne ohne Ball davon und als Danilo Barthel ihn anspielte, war der Weg frei. Ein anderes Mal rannte ein Gegner zu stürmisch auf ihn zu, Lo trickste ihn mit einer Körpertäuschung aus und warf den Ball aus der Mitteldistanz rein. Und dann war da natürlich noch sein Tänzchen mit Jordan Taylor. In der Euroleague kommt es selten vor, dass ein Verteidiger derart ins Rutschen kommt. Und nicht viel häufiger, dass ein Spieler in seinen ersten sieben Minuten zehn Punkte sammelt.
In der Münchner Halle war Maodo Lo nicht aufzuhalten – und so war es dann auch mit dem FC Bayern. Am Ende besiegten sie Villeurbanne erstaunlich hoch: 104:63 (57:35). Lo erzielte 19 Punkte – mehr als jeder andere Spieler.
Es gibt in der Euroleague eine einfache Regel, die sicher auch auf die Bayern zutrifft: Wer in die Playoffs der besten Acht will, muss in der eigenen Halle gewinnen. Ganz besonders dann, wenn dort Mannschaften vorbeikommen, die sich in der gleichen Gewichtsklasse befinden. Dazu gehören nicht die spanischen Spitzenclubs Real Madrid und FC Barcelona (das Magazin „Palco 23“ hat gerade erst berichtet, dass sie trotz gestiegener Einnahmequellen zusammengerechnet 60 Millionen Euro Verlust machen werden – aufgrund immenser Gehaltskosten), der französische Meister ASVEL Villeurbanne dagegen schon. In seiner eigenen Halle in Lyon hat dieser an den ersten zwei Spieltagen übrigens nacheinander Olympiacos Piräus und Panathinaikos Athen besiegt, die großen Player aus Griechenland. So bewegt man sich auf dem Playoff-Pfad.
An die Regel mit den Heimspielen halten sich die Bayern bisher aber auch. Am ersten Spieltag schlugen sie Mailand, nun Villeurbanne. Die eigentliche Erkenntnis des Abends aber war, wie abhängig sie in diesen ersten Wochen der Saison von Lo sind. Als Spielmacher füllt er gerade zu großen Teilen eine Rolle aus, die die Bayern aufteilen wollten. Doch T.J. Bray, ein Neuzugang, fehlt noch immer verletzt. Diego Flaccadori, noch ein Neuzugang, lernt diese Position gerade erst. Und DeMarcus Nelson, ein Neuzugang mit besonders viel Erfahrung, spielt noch zu oft unter Euroleague-Anspruch. Sogar sein Trainer Dejan Radonjic hatte vor dem Spiel gefordert. „Er muss besser werden.“
So lastet viel auf Lo. Dass er das Spielmacher-Problem der Bayern gerade auf diese lässige Art kaschiert, zeigt, was in ihm steckt. Es gibt aber ein Problem: Lo ist kein klassischer Spielmacher. Er fällt besonders auf, wenn er selbst attackieren, werfen und punkten kann – wie gestern. Es gehört aber zu den Eigenschaften eines hervorragenden Spiellenkers, seine Mitspieler in Szene zu setzen. Eine Vorlage verteilte er bei seinem Tänzchen mit Villeurbanne nämlich nicht.