Thema Türkei im Sport

Und Özil setzt noch einen drauf

von Redaktion

HANNA RAIF

Als Außenstehender kann man schlecht beurteilen, wann ein Interview geführt wurde, wie lange es in der Autorisierungsschleife hing und wer den Zeitpunkt der Veröffentlichung bestimmt hat. Spätestens seit vergangenem Jahr aber weiß man, dass bei Mesut Özil und seinem Berater-Apparat in der sogenannten PR-Arbeit nichts dem Zufall überlassen wird. Während also der türkische Militärschlag in Nordsyrien – und als Konsequenz daraus die Debatte um den Salut-Jubel auf Fußballplätzen jeglicher Leistungsklassen – seit Tagen die Schlagzeilen bestimmen, kommt Mesut Özil daher. Und setzt noch einen drauf.

Wie beim letzten Mal, vor 15 Monaten, als der ehemalige deutsche Nationalspieler seinen Rücktritt aus dem DFB-Team bekannt gab, äußerte er sich auch gestern im Interview ausführlich. Und es gibt auch diesmal Passagen, in denen man dem 31-Jährigen Recht geben muss. Wenn er zum Beispiel die rassistischen Anfeindungen verurteilt, die ihm in Deutschland nach dem umstrittenen Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan widerfahren sind. Selbst die These, dass „Rassismus inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist“, ist durchaus debattierwürdig, genau wie der Vorwurf an den DFB, „geschwiegen und geschehen“ lassen zu haben. Der Fall Özil hat in der Gesellschaft wie im Sport existierende Missstände ins grelle Licht gerückt. Aber auch Özil lag in einem Punkt fundamental daneben: seiner Sympathie für Erdogan. Diese propagiert er nun erneut.

Wenn man seine Worte von gestern liest, weiß man, dass er sich wieder mit seinem Trauzeugen ablichten lassen würde, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Schon der Salut-Jubel, bei dem die Unterstützung der Soldaten gezeigt werden soll, geht zu weit. Wer sich dieser Tage aber tatsächlich erneut mit Erdogan solidarisiert, während die westliche Welt den Kopf über ihn schüttelt, ist anscheinend unbelehrbar. „Respekt vor dem höchsten Amt des Landes“ zu zeigen, mag prinzipiell gut und richtig sein. Die Weitsichtigkeit, diesen Amtsträger und seine Handlungen zu hinterfragen, schließt das aber nicht aus.

Özil hat sich erneut vor den politischen Karren des Anti-Demokraten Erdogan spannen lassen, seine Worte werden mindestens von seinen 21 Millionen Instagram-Followern weltweit registriert. Dass sein Rücktritt aus dem DFB-Team nach eigenen Angaben „richtig“ war, mag für ihn persönlich gelten, aber auch für den deutschen Fußball. Ohne den Verband frei von Schuld in dieser Causa zu sprechen: Mesut Özil steht nicht für die Werte, die eine deutsche Nationalmannschaft vertritt.

hanna.raif@ovb.net

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