München – Pressekonferenzen sind eigentlich nie die Lieblingsdisziplin von Laura Dahlmeier gewesen. Gestern aber bei ihrem Auftritt im Haus des Ski in Planegg wirkte die frühere Biathletin ungewöhnlich fröhlich und gelöst. Im Mai hatte die 26-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen – doch etwas überraschend – ihre glorreiche Karriere für beendet erklärt. Danach verschwand sie von der Bildfläche. Nun, fast ein halbes Jahr später, nahm Dahlmeier vor laufenden TV-Kameras erstmals Stellung zur ihrem Rücktritt und gab auch Einblicke in ihr neues Leben. „Mir geht es gut“, sagte sie und lachte.
Laura Dahlmeier, Sie haben sich fast ein halbes Jahr Auszeit von der Öffentlichkeit genommen. Warum?
Nach meinem Rücktritt wollte ich Abstand und eine Pause haben, damit das Ganze auch sacken kann. Ich wollte erst einmal bei mir ankommen.
Zudem kamen immer wieder die Fragen: „Was machst denn jetzt?“ Das wusste ich aber zunächst nicht genau. Mir war wichtig, dass das auch Hand und Fuß hat, wenn ich dazu etwas sage. Und dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen.
Wie waren die Reaktionen auf Ihr Karriereende?
Viele Leute haben gesagt: „Mei schad’, was machen wir denn jetzt im Winter, jetzt können wir dir bei den Rennen nicht mehr zuschauen.“ Aber die meisten haben auch gemeint: „Wir können es total verstehen.“ Ich hatte mich ja ganz bewusst vom Leistungssport verabschiedet und mich für die Freiheit entschieden.
Sie haben jetzt ein halbes Jahr Abstand. War die Entscheidung richtig?
In jedem Fall. Das war super befreiend. Gerade im Frühjahr fühlte ich mich sehr frei. Ich war mit meinen Freunden komplett vom Erdboden verschluckt. Ich habe das Handy ausgemacht und in der Gegend von Chamonix nur das gemacht, was ich wirklich machen wollte. Wenn wir nicht klettern waren, haben wir das Zahnbürstl hinten ins Trikottascherl geschoben und sind zwei, drei Tage mit den Radln ins Blaue gefahren. Das ist für mich absolute Freiheit. Dirk Nowitzki hat zu seinem Karriereende als Basketballer gesagt, er will essen können, was er möchte. Bei mir ist es so: Ich will tun und lassen können, was ich möchte. Das habe ich dann auch gemacht. Und ich habe es sehr genossen.
Das klingt stark danach, dass Sie als Leistungssportlerin diese Freiheit sehr vermisst haben. War das mitentscheidend für Ihr frühes Karriereende?
Absolut. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch, ich mag das selbstbestimmte Leben. Als Sportlerin war es so, dass ich im April schon wusste: Dann und dann sind die Wettkämpfe, soundsoviele Tage werde ich im Monat weg sein, und in den dazwischenliegenden Tagen werde ich trainieren können. Da war alles verplant mit Sport. Klar, im April hatte ich frei – aber auch da gab es Termine. Und das höchste der Gefühle war, wenn ich im Juli vielleicht eine Woche Urlaub hatte. Ich wusste: Das war für die Zeit als Biathletin okay – aber so konnte mein Leben unmöglich noch für viel längere Zeit ausschauen. Deswegen wusste ich auch, dass ich Biathlon nicht ewig machen werde.
Sie haben also an Ihrem Dasein als Biathletin gezweifelt?
Ja. Ich habe mich gefragt: Was bringt mir das? Was macht das mit mir? Ist Biathlon noch das Richtige für mich? Man trainiert jede Woche 25 Stunden, jeder schaut auf dich, jeder erwartet Tag für Tag Bestleistungen. Das gehört zum Spitzensport. Aber auf Dauer ist das nicht gesund. Diese Zweifel sind schon früher immer wieder gekommen, und im letzten Jahr haben sie sich dann enorm verdichtet.
Der Leistungssport hat lange Zeit den Rhythmus Ihres Lebens bestimmt. Fällt es Ihnen da nicht schwer, sich umzustellen?
Da gibt es eine kleine Geschichte, die typisch dafür ist: Im Frühjahr war ich im Iran Bergsteigen. Als ich dann zurückgekommen bin, dachte ich daheim: Ich möchte noch besser werden im Klettern, aber dazu brauche ich mehr Muskulatur im Oberarm. Also habe ich mich am Sonntag hingesetzt und tatsächlich einen richtigen Trainingsplan zusammengeschrieben. Am Tag danach ist es mir dann klar geworden: Geht es denn noch blöder? Aber ich war es einfach von früher als Biathletin so gewohnt, dass ich mir am Sonntag einen Trainingsplan zusammenstelle. Das habe ich seither nicht mehr gemacht.
Das Biathlon hat Ihnen aber doch gerade Ihnen als erfolgreiche Sportlerin auch große, euphorische Momente beschert. Geht Ihnen das nicht ab?
Das stimmt schon, das ist etwas Besonderes, ein einzigartiges Gefühl. Im Augenblick des Erfolgs hat man das oft gar nicht so richtig genossen. Und wenn man Abstand dazu hat, sehnt man sich schon ein wenig danach zurück. Mir ist auch bewusst: Das wird so nicht mehr kommen. Natürlich wird man da manchmal etwas wehmütig. Das ist wohl auch der Grund, warum ich immer noch den einen oder anderen Sport-Event mitmache. Es ist ja egal, ob das eine Meisterschaft in Hinterdupfing ist oder eine Weltmeisterschaft: Wenn man über die Ziellinie läuft und seine Sache gut gemacht hat, dann ist das immer ein schönes Gefühl.
Wird man Sie in Zukunft wieder öfter sehen?
Mir ist schon klar, dass ich eine Person des öffentlichen Lebens bin. Es gibt somit Projekte und Termine, die ich einfach machen muss. Ich achte aber darauf, dass es nicht zu viel wird.
Wie schauen Ihre Pläne neben Ihren sportlichen Hobbies aus?
Ich habe natürlich den Anspruch, mein Leben lang nicht nur ehemalige Sportlerin zu sein. Ich möchte mich weiterentwickeln, etwas Neues lernen, einen neuen Input kriegen. Deswegen habe ich auch ein Studium für Sportwissenschaft angefangen. Es macht mir großen Spaß, mit 300 Studenten in einer Vorlesung zu sitzen und Wissen aufzusaugen.
Es ist noch ein großes sportliches Finale geplant mit Ihrer Teilnahme an der World Team Challenge auf Schalke. Wie stehen Sie dazu?
Ich freue mich darauf. Das wird eine super Party. Da sind Freunde dabei, meine Familie. Ich habe zuletzt auch gemerkt, dass meine Liebe zum Biathlon immer noch da ist. Natürlich wäre ich bei dem einen oder anderen Weltcup noch gerne dabei – in welcher Funktion auch immer.
Biathlon bedeutet Ihnen also immer noch viel. Ist da ein Comeback wirklich auszuschließen?
Das kommt für mich nicht in Frage. Wenn man einmal die Freiheit so gespürt hat wie ich, dann gibt es keinen Weg zurück. So konsequent muss man sein.
Interview: Armin Gibis