Dortmund – Wie ein angezählter Trainer wirkte Lucien Favre nicht. Trotz des mutlosen Auftritts seiner Mannschaft beim 0:2 (0:1) gegen Inter Mailand und der jüngsten Schlagzeilen über seinen möglichen Nachfolger José Mourinho wahrte der in die Kritik geratene Dortmunder Fußball-Lehrer die Contenance. In gewohnt stoischer Ruhe redete er die erste Niederlage seiner Mannschaft in der Champions League und den Absturz auf Gruppenrang drei schön. „Ich denke, wir haben gut gespielt. In der ersten Halbzeit waren wir sehr stabil“, kommentierte der Schweizer Fußball-Lehrer – zur Verwunderung vieler Beobachter.
Dass die weitaus meisten Fans ganz anderer Meinung waren, dokumentiert die wachsende Entfremdung zwischen Trainer und Umfeld. Mit einem ähnlichen Auftritt wie in Mailand, der selbst von der als seriös geltenden „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ als „Bübchenfußball“ umschrieben wurde, droht am Samstag im prestigeträchtigen Revierderby beim FC Schalke die nächste Niederlage und eine Verschärfung der Diskussion über die Arbeit von Favre.
Nicht zuletzt deshalb sehnt Lizenzspielerchef Sebastian Kehl ein Erfolgserlebnis herbei: „Wir wissen, was dieses Spiel für uns bedeutet und welche Möglichkeiten es für uns birgt. Sowohl in der Tabelle als auch für die Emotionen im Umfeld. Wir brauchen jetzt diesen Push.“
Alle Hoffnungen, dass bereits das umjubelte 1:0 über Mönchengladbach am vergangenen Samstag nach zuvor drei Remis in der Bundesliga für eine Trendwende gesorgt haben könnte, erwiesen sich im altehrwürdigen San Siro als Wunschdenken. Mit gnadenloser Effizienz zwangen die eigentlich über weite Strecken ähnlich harmlosen Italiener den bisherigen Tabellenführer der Gruppe F aus Dortmund dank der Tore von Lautaro Martínez (22. Minute) und Antonio Candreva (89.) in die Knie.
„Es ist verflucht wenig passiert, wir hatten kaum Torchancen“, klagte Kapitän Mats Hummels. Allerdings bestritt der Dortmunder Abwehrchef, dass die Partie ins Bild der vergangenen Wochen passte: „Das muss man einzeln sehen. Eine Niederlage bei einem starken Champions-League-Gegner kann immer mal passieren.“ Ähnlich wie Favre verwies auch der Weltmeister von 2014 auf die positiven Aspekte: „Wir haben Inter Mailand die Waffen genommen. Das war ein klassisches 0:0-Spiel. Aber unser Problem war, dass es nicht 0:0 stand.“
Die Dortmunder Offensive war ohne Paco Alcácer und Marco Reus erschreckend mutlos aufgetreten. Das Fehlen der beiden bisher besten Torschützen bewertete Kehl – ähnlich wie Sportdirektor Michael Zorc – zwar als Handicap, wollte es jedoch nicht als Ausrede gelten lassen: „Bei der Mannschaft, die wir haben, müssen wir es trotzdem schaffen, mehr Torgefahr auszustrahlen. Wir müssen uns mehr wehren, müssen dagegenhalten.“
Zuspruch erhielt Favre von seinem ehemaligen Arbeitgeber. „Die aktuelle Kritik an ihm ist definitiv überzogen. Ich weiß, dass er mit Borussia Dortmund deutscher Meister werden kann“, sagte der Mönchengladbacher Sportdirektor Max Eberl dem Nachrichtenportal t-online.de. dpa