München – Wird Niko Kovac auf die Talente-Armut in seiner Mannschaft angesprochen, verweist er auf die Sonderstellung des FC Bayern: „Hier spielen nur Weltklassespieler. Das macht es für junge Talente schwierig, sich durchzusetzen“, lautet eine typische Kovac-Erklärung.
Bei einem Blick auf die bisherige Trainerlaufbahn des Kroaten wird jedoch klar: Der 48-Jährige hat schon vor seiner Bayern-Anstellung lieber auf etablierte Kräfte gesetzt, anstatt auf die junge Garde. Bei Eintracht Frankfurt weiß man sehr genau, wovon die Rede ist. Wobei sich Kovacs Arbeitszeugnis für die Hessen vorbildlich liest. Auf den Klassenerhalt folgte die Qualifikation zur Europa League – gekrönt vom Gewinn des DFB-Pokals. Diese Erfolge errang der gebürtige Berliner zum großen Teil allerdings ohne die „jungen Wilden“, wie sie die Frankfurter Presse damals taufte. Dazu gehörten Akteure wie Sonny Kittel, Marc Stendera, Aymen Barkok oder auch der aktuelle Nationalspieler Luca Waldschmidt. Auch als Trainer der kroatischen Nationalmannschaft galt Kovac nicht als Anhänger des Projektes „Jugend forscht“. Zur WM 2014 nach Brasilien reiste er mit einer Auswahl, deren Durchschnittsalter 27,2 Jahre betrug.
Kovac agiert eher in der Tradition von Trainer-Legende Otto Rehhagel, der stets betonte, dass es für ihn keine „alten und jungen Spieler gibt, sondern nur gute und schlechte“. Von Kovac ist ein ähnliches Zitat aus Frankfurt überliefert: „Egal ob einer 19 oder 29 ist, wir beurteilen die Spieler nach dem, was wir im Training sehen“, rechtfertigte er seine Entscheidungen. Was ihm augenscheinlich fehlt: das Selbstverständnis eines Louis van Gaal.
Der Ex-Bayern-Trainer sieht den Spieler vor sich nicht als Endprodukt, sondern das Potenzial in ihm – noch wichtiger: Der Niederländer verzeiht jungen Talenten Fehler und stellt sich bedingungslos hinter sie. Die Diskussion um einen eher unbekannten und unorthodox spielenden Thomas Müller beendete van Gaal mit der klaren Ansage: „Müller spielt immer!“ Wohl wissend, dass er dieses Versprechen nicht immer einhalten kann und es dann als Bumerang zurückkommt, aber egal – wichtiger war ihm, dass der junge Spieler keine Angst haben muss, bei einem schwachen Spiel sofort wieder ins zweite Glied gerückt zu werden.
Der Weg von Niko Kovac muss nicht weniger erfolgreich sein. Das Double in seiner ersten Saison spricht für sich. Eine neue Philosophie oder Identität entsteht so jedoch nicht. Bei der Eröffnung des Nachwuchsleistungszentrums im August 2017 pries Uli Hoeneß den „Bayern Campus“ als Antwort auf den Transferwahnsinn an. Elf Monate später startete Niko Kovac als Bayern-Trainer.
Heute muss man befürchten: Niko Kovac wird diese Antwort nicht liefern.