„Goretzka hat den VfL gerettet“

von Redaktion

Peter Neururer über die Fehler in Bochum und wie ein Bayern-Spieler dem Club die Lizenz sicherte

München – Vom Glanz vergangener Zeiten ist in Bochum nicht mehr viel übrig. Der VfL rangiert in Liga zwei mittlerweile auf dem Relegationsplatz und im DFB-Pokal geht es heute Abend (20 Uhr, Sport & Sky) gegen die Bayern, was statistisch eine klare Angelegenheit ist. Von den letzten 29 Duellen konnten die Westfalen lediglich eines gewinnen. Im Februar 2004 war das. Cheftrainer damals: Peter Neururer. Im Interview erklärt der 64-jährige „Sport1“-Experte, was im Ruhrstadion alles falsch gelaufen ist.

Herr Neururer, die Bochumer haben nur bedingt Bock auf das Spiel gegen die Bayern. Verständlich, oder?

Kein Bock? Wer hat denn das erzählt?

VfL-Trainer Thomas Reis meint, das Pokalspiel käme „zu keinem guten Zeitpunkt“.

Stimmt ja auch. Wer aber sagt, Bochum hätte keinen Bock auf die Bayern, muss komplett durch sein. Und wissen Sie was?

Ja?

Bochum ist der klare Favorit! Sollte der VfL nicht haushoch gewinnen, wäre das eine Riesen-Enttäuschung. Die Bayern waren ja zuletzt immer für Gegentore gut, vielleicht werden es ja gegen Bochum ein paar mehr. Spaß beiseite: Für den VfL ist das das Highlight der Saison. Dass es nach einer bitteren Niederlage gegen Kiel und vor dem verdammt wichtigen Spiel gegen Nürnberg zeitlich ungünstig ist, stimmt auch.

Die Lage ist schon beunruhigend.

Und wie, so schlecht stand Bochum in der Zweiten Liga noch nie da. Der Trainerwechsel kommt auch noch dazu, aber gut: Es ist noch einigermaßen früh in der Saison, spätestens nach der unglücklichen Pleite gegen Kiel schrillen aber bereits die ersten Alarmglocken.

Hinzu kommt das für Dienstagabend durchaus verheißungsvolle Torverhältnis von 20:24.

Richtig, aber Bochum trifft nicht in der Liga auf die Bayern. Gleiches gilt für die Bayern, die sich in der Liga zuletzt so gut wie immer zwei Stück gefangen haben. Das ist Pokal. Bochum und Bayern sind in der ersten Runde weitergekommen. Deswegen spielen sie jetzt gegeneinander.

Woran liegt es, dass die Partie heute eine Ausnahme ist und Bochum gegen den Abstieg spielt?

Eine ganze Menge. In allererster Linie ist jemand wie Werner Altegoer (Ex-Vorsitzender des Aufsichtsrates, d.Red.) nicht zu ersetzen gewesen. Es ist ein Führungsvakuum entstanden und gleichzeitig ein Durchlauf an Trainern und Sportdirektoren. Es wurden auch falsche Ziele formuliert. Wenn man von Aufstieg spricht, holt die Realität einen relativ schnell ein. Dieses Jahr muss man zusehen, dass man die Klasse hält. Der VfL Bochum in Liga drei wäre unvorstellbar.

Wie haben Sie Ihre erste Amtszeit in Bochum in Erinnerung behalten?

Es war ein überragender Aufstieg, darauf folgte das Highlight UEFA Cup – aber auch ein brutaler Abstieg. Es war sehr emotional, speziell als ich mich dazu entschloss, meinen Vertrag aufzulösen. Nach dem Abstieg war ich der Meinung, der Mannschaft nicht mehr helfen zu können. Im Nachhinein war das ein Fehler. Ich hätte dableiben sollen, vielleicht wären dann einige Dinge anders gelaufen.

Beim letzten Sieg der Bochumer gegen die Bayern im Jahr 2004 waren Sie ebenfalls Cheftrainer. Bei den Münchnern spielte ein gewisser Hasan Salihamidzic durch, nach 90 Minuten stand es 1:0 für den VfL.

Ich bin der einzige Bochum-Trainer in diesem Jahrtausend, der gegen Bayern gewonnen hat. Das sagt doch eine Menge aus über die Qualität des Klubs, finden Sie nicht? (lacht)

Hat sich Thomas Reis schon gemeldet?

Braucht er nicht. Die spielen im Pokal und selbst ich habe gegen die Bayern im Pokal noch nicht gewonnen. Außerdem habe ich mit Hertha BSC auch schon mal sieben Stück kassiert gegen die Bayern. Aber: Wenn ich gegen sie gespielt habe – egal, ob daheim oder auswärts – habe ich immer versucht zu gewinnen. Darauf kommt es an – auch wenn es in den meisten Fällen nicht klappt.

Leon Goretzka meinte bereits, im Falle eines Tores nicht unbedingt auf Knien gen Ostkurve rutschen zu wollen. Glauben Sie, dass die Bochumer ihn gut empfangen werden?

Er hat dem Klub damals mit seinem Verkauf die Lizenz gerettet. Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass er ausgepfiffen wird. Im Gegenteil: Die Fans sollten Leon bejubeln. Er hat es nicht anders verdient.

Interview: J.C. Menzel López

Artikel 1 von 11