München – Die Radsaison endete für den Rennstall Bora-hansgrohe standesgemäß. Bei der Tour of Guangxi gewann Pascal Ackermann die Schlussetappe. Es war die letzte Dienstfahrt in diesem Jahr, und damit stand fest, dass es die Raublinger Equipe 2019 insgesamt auf stolze 47 Siege gebracht hat. Die Weltrangliste des Radsport-Weltverbandes UCI weist Bora-hansgrohe als zweitbestes aller Profiteams aus. Für Ralph Denk, der den Rennstall 2010 unter dem Namen NetApp gründete, ist dies ein weiterer Höhepunkt in der Team-Historie. Unsere Zeitung unterhielt sich mit dem 45-jährigen Raublinger über diese Erfolgsbilanz und auch über die Pläne, die bereits für nächste Saison geschmiedet werden.
Ralph Denk, wie viel Champagner ist denn für die Saisonabschlussfeier Ihres Teams bereitgestellt?
An diesem Wochenende haben wir ein großes Treffen im Grand Hotel von Lienz in Osttirol. Und da werden wir dann auf das vergangene Jahr anstoßen und die Saison feuchtfröhlich ausklingen lassen. Aber wir werden im Rahmen dieses Meetings auch schon mit den Planungen 2020 anfangen.
Kaum ist die Saison zu Ende, fängt für Sie schon die nächste an?
Wir haben eine Mission und müssen uns aufs nächste Jahr konzentrieren. Das Radsportjahr dauert ja fast zwölf Monate.
Aber ein bisschen Zeit, um die Saison 2019 zu feiern bleibt schon?
Klar, wir freuen uns natürlich wahnsinnig, dass wir in dieser Saison den nächsten Schritt gemacht haben. Wir haben uns bei den großen Landesrundfahrten verbessert, waren Sechster beim Giro, Vierter bei der Tour und Sechster bei der Vuelta. Unsere beiden Sprinter Pascal Ackermann und Sam Bennett haben geliefert und jeweils 13 Siege eingefahren. Nicht zu vergessen der Etappensieg und das Grüne Trikot von Peter Sagan bei der Tour de France. In der Weltrangliste sind wir Zweiter. Letztes Jahr waren wir Dritter. Da können Sie sich vorstellen, was unsere Sponsoren fordern …
Den Spitzenplatz …
Ja. Und wir würden uns alle freuen, wenn wir in der nächste Saison die Nummer eins der Welt wären.
Zu den auffälligsten Bora-Fahrern dieser Saison zählte Pascal Ackermann. Mit 25 Jahren hat er sich in der Sprinter-Weltelite etabliert. War damit zu rechnen?
Pascal hat mich schon überrascht. Es war schon erstaunlich, dass er beim Giro d’Italia zwei Etappen gewann und bei dieser harten Rundfahrt gut durchgekommen ist. Doch auch in den Wochen danach blieb er stabil, ihm ist nie der Strom ausgegangen. Bei einem jungen Fahrer ist es normal, dass nach einer schweren Dreiwochen-Rundfahrt nicht mehr viel kommt. Aber Pascal ist das ganze Jahr über auf hohem Niveau gefahren. Zuletzt in China hat er ja auch noch zwei Etappen gewonnen. Das zeugt schon von seiner Klasse. Pascal wird sicher in den kommenden zwei Jahren sein Tour-de- France-Debüt geben.
Der vielseitige Max Schachmann war schon dieses Jahr in Ihrem Tour-Aufgebot. Nach bärenstarken Vorleistungen bremste ihn in Frankreich ein folgenschwerer Sturz. Wie schätzen Sie sein Potenzial ein?
Max hat einen großen Schritt gemacht. Wir wissen aber immer noch nicht genau, wo es bei ihm hingeht. Möglicherweise ist er ein Top-Ten-Kandidat für die großen Rundfahrten. Es kann aber auch sein, dass er eher der Eintages-Spezialist ist. Er war ja in dieser Saison schon Dritter beim Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich. Wir müssen abwarten, wo bei ihm die Reise hingeht. Im kommenden Jahr haben wir auch noch die Olympischen Spiele in Tokio. Das ist ein Kurs, auf dem Max etwas bewegen kann.
Neu im Team ist Lennard Kämna, den Sie vom Team Sunweb weglotsten. Der 23-Jährige sorgte bei der letzten Tour de France bei zwei Bergetappen mit den Plätzen vier und sechs für Furore. Was trauen Sie ihm zu?
Unser Job ist es, Lennard im nächstes Jahr auf das Niveau zu bringen, das er schon in dieser Saison bei der Tour hatte. Und dann geht alles von alleine.
Ihr Team boomt nun schon seit einiger Zeit. Wie viele Angestellte haben Sie denn inzwischen bei Bora-hansgrohe?
Einschließlich der Fahrer sind es knapp hundert Leute. Das ist schon auf sehr hohem Niveau. Aber diese Messlatte legen nicht wir fest, sondern der Radsport selbst. Der ist insgesamt schon sehr professionell geworden. Wir haben für viele Teilbereiche Spezialisten. Angefangen beim Osteopathen, beim Physiotherapeuten, beim Ernährungsberater, beim Koch, und, und, und. Es gibt da viele Mosaiksteinchen, die man zusammenführen muss, dass am Schuss acht Fahrer an einem Rennen teilnehmen.
Was waren denn die Schlüssel zum Erfolg?
Wir haben ja ganz klein angefangen. Da war es wichtig, dass ich immer daran geglaubt habe, dass wir das schaffen. Und es sind da natürlich auch die tollen Sponsoren, die Vertrauen in mich und in mein Projekt hatten.
Was war für Sie der bewegendste Moment in dieser Saison?
Emanuel Buchmann mit seinem vierten Platz bei der Tour de France war für uns – und speziell für mich – ganz groß. Das war für mich auch emotional ein ganz besonderes Erlebnis. Wir haben „Emu“ ja bei den Amateuren gefunden und ihm die Chance gegeben, Berufsfahrer zu werden. Wenn dann so ein Mann so eine Entwicklung macht, dann geht einem das schon nahe.
Die Tour de France wird für Ihr Team sicher auch 2020 der Saisonhöhepunkt sein. Was haben Sie sich denn vorgenommen?
Die Zielvorgabe ist, zumindest das Ergebnis, also den vierten Platz, zu halten. Aber so wie ich den Emu kenne, wird er sich damit nicht zufrieden geben. Ich will jetzt nicht zu viel Druck aufbauen: Aber ich denke schon, dass er aufs Podium will.
Der Kurs dürfte Buchmann ja liegen: Extrem viele Anstiege, wenig Zeitfahrkilometer…
Ja, das passt. Aber er braucht natürlich die Beine dazu. Und deswegen gehen wir jetzt schon an die Arbeit und starten die ersten Vorbereitungen.
Sie haben immer wieder betont, wie wichtig Ihnen Innovationen bei der Betreuung und im Training der Fahrer sind. Was ist da in dieser Hinsicht für kommende Saison bei Bora zu erwarten?
Vieles basiert auf dem Wissen von diesem Jahr. Wir haben auch die Erfahrungswerte, die wir über die Jahre aus dem Höhentraining von Emu gewonnen haben. Wir wissen auch, dass das Höhentraining bei ihm der Schlüssel zum Erfolg ist. Wir haben da viele Daten gesammelt. Und je mehr wir davon haben, umso genauer kann man planen, um das Ganze noch effektiver zu machen.
Träumen Sie manchmal vom Gelben Trikot?
Klar. Wir hatten es dank Peter Sagan auch schon mal für eine Etappe. Und es ist mir total bewusst: Wenn ein Deutscher das Maillot Jaune für mehrere Tage tragen würde, würde das das Ansehen in Deutschland deutlich steigern. Wir liebäugeln jedenfalls immer mit dem Gelben Trikot.
Interview: Armin Gibis