München – An Tagen wie diesen gehören genaue Zeitangaben einfach dazu, und weil am Abend vorher der große Knall passiert war, als die TV-Kameras an der Säbener Straße längst abgebaut waren, ging es gestern von vorne los. Also: 9.15 Uhr Karl-Heinz Rummenigge fährt beim FC Bayern vor. 11.11 Uhr: Uli Hoeneß erreicht die Tiefgarage, nach eigenen Angaben „gut gelaunt“. Die Bosse spielten das Spielchen am Tag 1 nach der Entlassung von Niko Kovac gerne mit, aber sie wussten beim Betreten des Clubgeländes freilich auch, dass hinter verschlossenen Autofenstern und Bürotüren harte Arbeit wartet.
Um genau zu sein, wissen sie das nicht seit knapp einer Woche, also seit jenem Tag, an dem der FC Bayern acht Minuten vom Pokal-Aus in Bochum entfernt war. Dass die Partie letztlich noch 2:1 endete, änderte nichts daran, dass der denkwürdige Auftritt Rummenigge, Hoeneß und Hasan Salihamidzic zum Grübeln gebracht hat. Er war der Knackpunkt in der Bewertung von Kovac. Die 1:5-Niederlage in Frankfurt sorgte dann nur dafür, dass die ernsten Gespräche früher geführt wurden als nach den nun anstehenden Partien gegen Piräus und Dortmund.
Die Intention am Sonntagabend war bei Zusammenkunft keine Trennung. An einem Tisch wurde aber deutlich, dass eine Zusammenarbeit kaum mehr Sinn hat.
„Die Leistungen und auch die Resultate unserer Mannschaft haben in den vergangenen Wochen nicht den Erwartungen entsprochen“, sagte Rummenigge gestern der „dpa“. Der Vereinsboss wies auf die Wichtigkeit der kommenden Spiele hin, vor allem am Samstag gegen Borussia Dortmund. Den „deutschen Classico“, sagte er, „gilt es zu gewinnen.“
Kovac hatte vor der Mannschaft am Sonntagvormittag noch so gesprochen, als bleibe er mindestens eine weitere Woche im Amt. In einer Teamsitzung soll er gar 25 Szenen vom Peinlich-Auftritt in Frankfurt zerpflückt und immer wieder einzelne Spieler in die Pflicht genommen haben. Die Profis waren am Abend, zur besten Tatort-Prime-Time-Zeit, selbst vom Rückzug des Coaches überrascht. In einer internen E-Mail an alle, inzwischen mehr als 1000 Bayern-Mitarbeiter ließ der Kroate gestern wissen, dass eine persönliche Verabschiedung „schwierig“ sei und man der Mannschaft „die nötige Ruhe und Konzentration ermöglichen möchte“. Von Herzen sagte er „Dankeschön. Sie alle haben mich und meinem Bruder herzlich an der Säbener Straße aufgenommen (…) und uns stets unterstützt.“ Selbstverständlich werden die Kovac-Brüder „den FC Bayern weiterhin als Fan begleiten“.
Kovac wählte nach 490 Tagen im Amt einen Abschied mit Stil. Genauso wichtig wie ein würdiges Servus war es ihm, in der offiziellen Mitteilung am Abend vorher als Initiator der Trennung aufgeführt zu werden. „Den Rücktritt angeboten“ war die entscheidende Formulierung, das Heft des Handelns liegt bei Kovac. So steht es öffentlich nun da. Von Spielern kam gestern keine Reaktion.
Am Abend meldete sich allerdings noch einmal der Präsident zu Wort. Uli Hoeneß betonte am Rande der Robert-Enke-Gedenkveranstaltung in Hannover, dass es mit Kovac „ein prima Auskommen“ gab und jetzt auch „keine schmutzige Wäsche“. Zur Trennung sagte er: „Ich finde, wir haben das gut gemacht.“ Am Montag habe er noch einmal mit Kovac telefoniert und das „Gefühl“ gehabt, dass dieser jetzt „von einem ungeheuren Druck befreit ist“.
An der Seitenlinie wird nun erst mal Hansi Flick stehen. Wie lange, wird derzeit besprochen. Rummenigge war es gestern wichtig, zu betonen, dass er – auch in Zukunft – alle Entscheidungen gemeinsam mit dem in zehn Tagen scheidenden Präsidenten Hoeneß sowie Salihamidzic „diskutiert und beschließt“. Jener Hoeneß stellte klar: „Ich denke, dass wir bis zum nächsten Auswärtsspiel in Düsseldorf in drei Wochen wissen, wie es in der Trainerfrage weitergeht.“ Rummenigge wollte zu „Gerüchten und Spekulationen“ keine Stellung beziehen, schloss ein längeres Engagement von Flick nicht aus.
Namen wie jener von Erik ten Hag (Vertrag bis 2022 bei Ajax – er bleibt mindestens bis Saisonende in Amsterdam, wie er gestern bekräftigte) und Ex-Juve-Trainer Massimiliano Allegri (ohne Job) kursieren längst. Allegri übrigens ist ein guter Freund von Giovanni Branchini, Bayerns Chef-Vermittler. Der wurde gestern nicht bei der Einfahrt in die Garage gesichtet. Weil er längst in Verhandlungen steckt?