Tag eins nach Kovac

Die Schuld-Frage spielt jetzt mit

von Redaktion

HANNA RAIF

Das erklärte Ziel von Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß war es, adäquate Nachfolger in der Chefetage des FC Bayern zu finden. Und wenn man die Trennung von Niko Kovac als Maßstab nimmt, muss man den beiden Herren gratulieren: Sie haben es geschafft! In der Presseerklärung wurde Hasan Salihamidzic mit folgenden Worten zitiert: „Ich erwarte jetzt von unseren Spielern eine positive Entwicklung und absoluten Leistungswillen, damit wir unsere Ziele für diese Saison erreichen.“ Logische Worte, passend zu Trainerentlassungen. So passend, dass man sie glatt schon mal gelesen hatte.

Am 28. September 2017 hat der FC Bayern das letzte Mal eine Trainerentlassungs-E-Mail geschickt, damals hatte es Carlo Ancelotti erwischt, einen Mann, der – wenn auch aus anderen Gründen – ebenso wenig zum FC Bayern passte wie nun Kovac. Damals wurde Rummenigge zitiert, wortgleich wie nun Brazzo. Für die PR-Abteilung mag das peinlich sein, es zeigt aber auch, wie diese Branche funktioniert. Schema F, die normalen Mechanismen greifen nach einer Trennung. Genau wie der öffentliche Reflex: Trainer weg – endlich geht’s bergauf.

Bleibt man bei diesem, haben die Herren Rummenigge und Salihamidzic ja recht. Jetzt, da Kovac Geschichte ist, steht die Mannschaft und nicht mehr der Trainer in der Pflicht, die Kurve zu kriegen. Die Herren Coutinho und Thiago zum Beispiel, die alle Freiheiten bekommen, sie aber nicht genutzt haben. Jerome Boateng, der Zweikämpfe cleverer bestreiten könnte. Oder Serge Gnabry, David Alaba und Joshua Kimmich, die beim 1:5 in Frankfurt mit individuellen Fehlern Gegentore einleiteten. Sie alle stehen exemplarisch für ein Team, in dem wenig bis gar nichts funktioniert. Ob wegen oder trotz Kovac, ob mit, gegen oder für ihn – das wird sich erst noch zeigen.

Einer musste den Kopf hinhalten, und ein Trainer ist leichter auszutauschen als eine Mannschaft. Doch genauso wenig wie man Kovac frei von Schuld sprechen darf, sollte man es mit den sogenannten Stars auf dem Rasen tun. Technische Fehler, Unkonzentriertheiten, fehlender Willen – all das kann passieren, wenn man unbewusst (oder bewusst?) gegen einen Trainer spielt. Es kann aber auch das Resultat von Überheblichkeit und Sieges-Sättigung sein. Die Frage, ob dieses Bayern-Team gut genug ist, um die unter Hoeneß und Rummenigge eingeleitete Erfolgsära fortzuführen, ist noch nicht beantwortet.

hanna.raif@ovb.net

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