Der deutsche Lewandowski

von Redaktion

Timo Werner entwickelt sich als Torjäger und erlernt das für Bayern nötige Ballbesitzspiel

VON GÜNTER KLEIN

Düsseldorf – Am vergangenen Samstag war Timo Werner glücklich. Mit RB Leipzig hatte er in Berlin gewonnen, bei der Hertha, 4:2, und zwei Tore geschossen. Er gibt zu, dann schon mit besonderem Interesse dem Topspiel am Abend entgegengeblickt zu haben. Auch wegen Robert Lewandowski, der in der Bundesliga-Torjägerliste über ihm steht. Der Abstand zu ihm könnte ja mal geringer werden.

Wurde er nicht: Auch Lewandowski traf zweimal. „Und wenn er schon gegen Dortmund zwei Tore schießt“, sagt Timo Werner, „gegen wen schießt er keines?“ Er bewundert die Konstanz des Bayern-Stars in dieser Saison. Damit kann er nicht punkten: „Ich habe jetzt zwar elf Tore aus elf Spielen, aber es waren Doppelpacks dabei, ein Hattrick. Es gab eine Strecke von vier Spielen, in denen ich nicht getroffen habe.“ Über Lewandowski, den Torgroßfabrikanten, sagt er: „Eine Kategorie mit Messi und Ronaldo.“ Er wird ihn nicht überholen.

Aber Timo Werner ist in der Bundesliga der Mann hinter Lewandowski. In einer statistischen Kategorie sogar besser: Der Münchner hat erst ein Tor eines Nebenmannes vorbereitet (okay, er schießt die meisten ja selbst), Werner vier. Joshua Kimmich nennt dies „bemerkenswert für einen Stürmer, was er für ein Auge für seine Mitspieler hat“. Kimmich kennt Werner, „seit ich zwölf bin“. Sie sind nur ein Jahr auseinander, haben in den Jugendteams des VfB Stuttgart zusammengespielt. Kimmich erinnert sich: „In jeder Jahrgangsstufe ist Timo Torschützenkönig geworden. Und er hat auch ein, zwei Jahrgänge höher gespielt.“

Zahlen wie in dieser Saison konnte Timo Werner im Profibereich bislang noch nicht aufweisen. Sein Effizienzwert ist, dass er im Schnitt 81 Minuten für ein Tor braucht. Werner glaubt, dass er einfach eine gute Zeit erwischt hat, nicht erst mit dieser Saison: „Schon im letzten Jahr hatten viele Spieler an Ende 17 oder 18 Tore, jetzt stehen etliche mit fünf oder sechs nach erst elf Spieltagen in der Liste.“ Für Stürmer sei es jetzt wieder leichter, „weil schneller offensiver gespielt wird und man lieber 4:3 als 1:0 gewinnt“. Vor einiger Zeit sei es bei Partien „zwischen zwei unteren Teams noch so gewesen, dass beide sich hinten reingestellt haben“.

Und schließlich hat auch er selbst sich entwickelt. Ein Verdienst des neuen Trainers in Leipzig, Julian Nagelsmann: „Er hat mir schon bei der ersten Kontaktaufnahme gesagt, dass er mich nicht immer Stürmer spielen lassen will, sondern auch mal hängend, auf der Zehn. Das hat mich gereizt, und ich habe gelernt, die Räume besser zu interpretieren.“ Das fördert den Reifeprozess: Timo Werner wird zum Ballbesitzspieler – zuvor sah man ihn als Spezialisten für Umschaltfußball, als Geradeaus-Rennmaschine. Doch er will mehr sein.

Auch mal beim FC Bayern, wo Joshua Kimmich, sein alter Wegbegleiter, spielt, der mit Leipzig zudem eine weitere identische Station neben dem VfB hatte? „Ich muss dem Jo nicht alles nachmachen“, sagt Timo Werner. „Für ihn war es der richtige Schritt, aus Leipzig wegzugehen, für mich, zu bleiben.“

Dass Werner beim FC Bayern der nächste Lewandowski werden soll, ist weiterhin nicht ausgeschlossen. Aber derzeit gefällt es ihm auch, der Leipziger Lewandowski und der deutsche Lewandowski zu sein.

Artikel 8 von 11