London – Im letzten Gruppenspiel war die Luft raus, aber nach dem Doppelschlag zuvor gegen Federer und Djokovic grämte sich Dominic Thiem nicht allzu sehr. Dass er zum ersten Mal in seiner Karriere im Halbfinale des Turniers der Besten gehören würde, stand vor der Niederlage am Donnerstag gegen den Italiener Matteo Berrettini (6:7, 3:6) fest, und darauf kam es an.
Für Thiem endet in London eine turbulente Saison. Als er sich im Frühjahr nach 17 Jahren gemeinsamen Jahren von Günter Bresnik trennte, dachte er, eine Veränderung werde ihm guttun. Er entschied sich für den chilenischen Olympiasieger von 2004, Nicolas Massu, und nach sieben Monaten gemeinsamer Arbeit sieht die Sache höchst vielversprechend aus. Er schlägt noch mit der gleichen Härte zu wie früher, aber er spielt offensiver, geht öfter ans Netz und ist deshalb noch gefährlicher. Nach dem Sieg im ersten Gruppenspiel gegen Roger Federer und dem Coup gegen Djokovic war Thiem als Erster für das Halbfinale qualifiziert. Damit stellte er für Österreich einen neuen Markierungspfahl auf.
Thomas Muster, Sieger der French Open 1995 und im Jahr darauf die Nummer eins, gilt noch immer als Maßstab im Nachbarland, aber die Zeichen deuten immer mehr darauf hin, dass das vielleicht nicht mehr lange so sein wird. Womöglich leistet Muster gar einen Beitrag für seine eigene Degradierung auf Position zwei: Wie ist die Lage, wie sieht es aus mit den Spekulationen, er werde vielleicht Massus Job als Coach übernehmen oder zumindest Teil des Teams werden?
Bis jetzt, sagt Muster, habe es zwar Gespräche gegeben –vor allem mit Thiems Vater Wolfgang – aber die Rolle, die er vielleicht übernehmen könne, sei noch nicht richtig fixiert. Wenn er sich dazu entschließe, dann sicher deshalb, weil Thiem Österreicher sei und weil er das Potenzial habe, viel besser zu werden als er selbst.
Drei Meter Luftlinie von Thomas Muster entfernt sprach Boris Becker über ein ähnliches Thema – die mögliche engere Zusammenarbeit mit Alexander Zverev, der nach der Trennung von Ivan Lendl seit Mitte Juli wieder ausschließlich von seinem Vater trainiert wird. Becker lässt wissen, er unterhalte sich seit Jahren gern mit Vater und Sohn, ob daraus mehr werde, müsse man abwarten.
„Ich mag ihn, er hat ein großes Talent, ich liebe Tennis, und ich bin auf jeden Fall in den Wochen in Australien dabei. Und dann schauen wir mal.“ Machen wir. DORIS HENKEL