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von Redaktion

Warum die Nationalelf an Zugkraft verloren hat – Hoffnung für Samstag: der Totensonntag

VON GÜNTER KLEIN

Düsseldorf – Der Totensonntag rettet den DFB. „Da dürfen vor 13 Uhr keine Fußballspiele stattfinden bei uns im Verband Niederrhein“, sagt Peter Frymuth. Der Düsseldorfer führt diesen Landesverband an, er ist auch Vizepräsident im DFB – und nicht so pessimistisch, was den Zuschauerzuspruch für Samstagabend in Mönchengladbach zum EM-Qualifikationsspiel gegen Weißrussland angeht. Dass junge Fußballer nicht schon am Sonntagmorgen auf dem Platz ihres Vereins stehen müssen, erleichtere ihnen den Besuch der Nationalmannschaft am Abend zuvor – trotz der unfreundlichen Anstoßzeit von 20.45 Uhr. „Wir werden 10 000 Kinder und Jugendliche im Stadion haben, und die bekommen die Karte für zehn Euro“, sagt Frymuth. Für ihn ist es ein triumphales Argument. Seht her, so unflexibel ist der DFB doch gar nicht.

Mit verbilligten Tickets für die Fußball-Familie schaffte es der DFB schon, das erste Spiel nach der verkorksten WM 2018 offiziell auszuverkaufen. Im September 2018 gegen Frankreich, das – glückliche Fügung – als frischer Weltmeister nach München kam. Doch seitdem fällt es dem Verband schwer, seine Kundschaft in die Stadien zu locken. Der Tiefpunkt wurde dabei nicht bei Nations League oder in den Qualifikationsspielen zur EM erreicht, sondern im Oktober 2019, als sich im Dortmunder Westfalenstadion nur 45 000 (statt international möglicher 66 000) verloren. Gegen Argentinien. „Die Leute kommen schon, wenn man große Gegner hat“, glaubt Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff, schränkt aber in diesem speziellen Fall ein: „Da wussten sie, dass Lionel Messi nicht dabei sein wird.“

Doch warum nur hat die Nationalmannschaft so an Zugkraft verloren?

Die Leistung: Bierhoff nennt das Jahr 2019 „nicht leicht, aber zufriedenstellend“. Für Spitzenfußball steht die Mannschaft nicht, „denn wir sind dabei, eine neue Mannschaft aufzubauen“. Und die sieht dann in einem Heimspiel (2:4 gegen die Niederlande verloren), dass sie derzeit keine Weltklasse darstellt. Joshua Kimmich räumt ein: „Wir hatten schwache Halbzeiten.“

Das Personal: Viele Promis hat die DFB-Auswahl nicht mehr: Manuel Neuer halt, der um seine Position aber kämpfen musste, und Toni Kroos, der seine Länderspielteilnahmen aber dosiert. Die Weltmeister Hummels, Boateng und Müller hat Bundestrainer Joachim Löw zu Beginn des Jahres aussortiert, und Leroy Sané, der die neue Attraktion sein könnte (neben Serge Gnabry und Joshua Kimmich), fehlt mit einem Kreuzbandriss seit Beginn der Saison. Bei etlichen Neu-Nationalspielern wie Robin Koch müssen Fußball-Durchschnittsverbraucher erst mal googeln: Wo spielt der?

Die Gegner: „Bei allem Respekt: Wir haben nicht gegen die Mannschaften gespielt, die jeder Fan erleben will.“ Weißrussland, Estland und am kommenden Dienstag in Frankfurt Nordirland – Pflichtprogramm eben.

Die Preise: Reguläre Tickets für Länderspiele sind teurer als für die Bundesliga. Der DFB hält an seiner Preisstruktur aber fest, weil, wie Reinhard Grindel zu seiner Präsidentenzeit feststellte, „wir kein Problem haben, die teuren Karten loszuwerden“. Liegen bleiben würde die günstigste Kategorie. Wer abwartet: Oft gibt es Sonderkontingente über die Vereine.

Die Anstoßzeiten: 20.45 – der Code für Familienunfreundlichkeit. Länderspiele sollten gerade für Kinder den Einstieg in den Fußball bieten – Joshua Kimmich erinnert sich daran, „dass ich als Junge kaum mal ein Länderspiel sehen konnte“. Weder im Stadion noch im TV.

Überangebot: „Durch die Wettbewerbe auf Vereinsebene wird der Fan mit immer mehr Spielen befeuert“, so DFB-Kapitän Manuel Neuer.

Oliver Bierhoff hat als erste Maßnahme gegen das aufkommende Zuschauer-Desinteresse die Lautstärke in der von vielen als störend empfundenen Vermarktung der Mannschaft heruntergedreht. Sein Fazit: „Wir kommen aus einer Phase seit 2006, in der die Dinge von alleine liefen. Das ist vorbei. Wir müssen mehr tun.“

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