São Paulo – Der Jubilar stand nach dem Ferrari-GAU alleine und völlig bedröppelt neben der Strecke, die Arme hatte Sebastian Vettel vor der Brust verschränkt – er konnte es nicht fassen. Das 100. Rennen des Deutschen in Rot endete im Fiasko, kurz vor dem Ziel in Sao Paulo hatte er beim Triumph von Max Verstappen ausgerechnet mit seinem Teamkollegen Charles Leclerc einen Crash gebaut. Das ohnehin sangespannte Verhältnis zwischen den Ferrari-Stars eskaliert weiter.
„Mein Gott, muss das sein?! So ein Bockmist aber auch!“, schrie Vettel frustriert in den internationalen Funk – und Leclerc meinte: „Was zur Hölle macht der?“
Nach einer späten Safety-Car-Phase beim turbulenten Großen Preis von Brasilien hatten sich die beiden Streithähne beim Kampf um das Podest touchiert, die Funken sprühten wie wild. Leclercs rechter Vorderreifen war hinüber, bei Vettel war es der linke Hinterreifen.
Erst recht spät – nach einem Briefing durch das Team – traten beide Piloten vor die Kameras. Und bemühten sich um Deeskalation. „Das Rennen ist gelaufen. Es ist bitter, wir werden darüber sprechen“, sagte Vettel, eine klare Ansage durch das Team sei aber nicht nötig: „Charles hat versucht zu überholen, ich habe mich auf die nächste Gerade konzentriert und dachte schon, ich wäre vorbei. Dann kam es zum Knall.“
Leclerc ließ jedoch durchblicken, dass er die Schuld bei Vettel sah – damit war er nicht allein. „Ich habe ihm den Raum gelassen, dann zog er nach links“, sagte der Monegasse: „Aber wir sind reif genug, um das hinter uns zu lassen. Wir werden weiter gut zusammenarbeiten.“
Während Vettel und Ferrari nach dem Titel-K.o. im Duell mit Weltmeister Lewis Hamilton am Tiefpunkt der Saison angekommen sind, jubelte Verstappen über seinen dritten Saisonsieg. Der Niederländer setzte sich vor Pierre Gasly (Toro Rosso) und Hamilton durch. Dem Engländer drohte allerdings noch eine Zeitstrafe, weil er auf den letzten Kilometern mit Alex Albon im zweiten Red Bull kollidiert war.
Nach einem lange wenig spektakulären Rennen sorgten erst Safety-Car-Phasen und der Vettel-Leclerc-Unfall kurz vor Schluss für Spannung. Im Chaos behielt Verstappen die Nerven, er verschaffte sich zudem Genugtuung für seine Pleite im Vorjahr. Damals vergab der 22-Jährige noch den sicher geglaubten Sieg nach einem Unfall mit dem überrundeten Esteban Ocon. Diesmal war Verstappen nicht zu schlagen und verbesserte sich im WM-Klassement auf Rang drei. Nico Hülkenberg, der in Brasilien sein Formel-1-Aus für 2020 bestätigte, wurde im Renault Zwölfter.
„Ich bin vorsichtig optimistisch“, hatte Vettel noch vor dem Rennen gesagt, musste dann aber gleich beim Start den ersten Dämpfer einstecken. Hamilton bremste bei der nur 195 Meter langen Anfahrt auf die erste Kurve einen Tick später und konnte sich so an Vettel vorbeidrängeln. An der Spitze behielt Verstappen die Nerven und setzte sich in der Folge etwas von Hamilton ab. Dahinter versuchte Vettel zu folgen, doch das Tempo von Verstappen und Hamilton konnte er nicht mitgehen.
Hamilton holte sich als Erster neue Reifen ab, die Strategie ging auf, er ging an Verstappen vorbei. Der Niederländer verlor aber auch wertvolle Zeit, als er am Ende der Boxengasse von Robert Kubica behindert wurde. Doch mit ordentlich Wut im Bauch überholte er Hamilton am Ende der Start- und Zielgeraden wieder, dieser wunderte sich über das Manöver am Funk: „Habe ich Motorenprobleme?“
Zur Hälfte des Rennens drehte Verstappen weiter als Führender seine Runde, dahinter lauerten Hamilton und Vettel. Hamilton wechselte dann erneut vor Verstappen die Reifen, doch diesmal ging auch beim Supertalent alles glatt, er blieb vor dem Champion. Die Ereignisse zum Schluss wirbelten alles noch mal durcheinander.
„Jedes Jahr passiert hier etwas“, hatte Vettel vor dem Rennen gesagt – und er sollte Recht behalten: „Der Ort hat einen Hang zum Drama.“