Sieg beim Comeback

Dreßen gehört zu den ganz Großen

von Redaktion

ELISABETH SCHLAMMERL

Vermutlich ist der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier seinem früheren Cheftrainer Mathias Berthold immer noch dankbar, dass der die Auflösung des Abfahrtsteams verhindert hat. Wer weiß, was dann aus Thomas Dreßen geworden wäre. Vielleicht trotzdem ein guter Speedfahrer, weil er einfach talentiert ist. Vielleicht hätte er ohne gezielte Förderung seine Karriere aber auch beendet, noch bevor sie so richtig in Fahrt gekommen wäre.

Nun hat der Mittenwalder wieder bewiesen, welch außergewöhnlicher Athlet er ist. Mit seinem Comeback-Sieg stieß er in die Riege der Superstars im Abfahrtssport vor. Aksel Lund Svindal war 2007 in Beaver Creek schwer gestürzt, erlitt Knochenbrüche und eine schwere Schnittwunde am Gesäß. Ein Jahr später gewann er auf der „Birds of Prey“, auf jener Piste also, die ihn abgeworfen hatte. Und auch nach seinem Kreuzbandriss 2016 kehrte er auf Anhieb auf das Siegerpodest zurück. Die vielleicht größte sportliche Wiederauferstehung gelang einst Hermann Maiers bei den Olympischen Spielen in Nagano 1998. Nur drei Tage nach seinem kapitalen Sturz bei der Abfahrt gewann er Gold im Super-G. Ein paar Jahr später schaffte er noch einmal Sensationelles, als er nach seinem schweren Motorradunfall, bei dem er fast ein Bein verloren hätte, nur ein paar Rennen brauchte, um wieder zu gewinnen. Auch Stefan Luitz hatte einen Comeback-Sieg im vergangenen Jahr geschafft. Allerdings ging diese ebenfalls sehr erstaunliche Leistung fast ein wenig unter in der folgenden sogenannten Sauerstoff-Affäre, als dem Allgäuer der Riesenslalom-Erfolg erst einmal aberkannt wurde, ehe er ihn sich auf juristischem Wege zurückholen konnte.

In den schnellen Disziplinen kommt es mehr noch als in Riesenslalom und Slalom auf Risikobereitschaft an, darauf, sich bei höchstem Tempo überwinden zu können, zu wollen – und vor allem auch auf Erfahrung. Wer sich traut, nach langer Pause auf Anhieb das Limit auszuloten, und der offenbar auch nicht das braucht, was man als Rennpraxis bezeichnet, um wieder das Gefühl für die richtige Linie zu haben, gehört zu den ganz Großen. Svindal und Maier waren bei ihren schweren Verletzungen bereits die Besten. Dreßen befand sich gerade am Anfang einer aussichtsreichen Karriere, als er sich vor einem Jahr in Beaver Creek das Knie ruinierte – es gibt keine Zweifel, dass er den Abfahrtssport in den kommenden Jahren prägen wird. Vorausgesetzt, er bleibt gesund.

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