„Alle dürfen normal stehen bleiben“

von Redaktion

Paralympics-Siegerin Anna Schaffelhuber über ihr neues Leben als Lehrerin

München – Vor rund drei Wochen verkündete Mono-Skifahrerin Anna Schaffelhuber (26) ihr Karriere-Ende, gestern bekam sie den Bayerischen Verdienstorden. Nach sieben Paralympics-Siegen, elf WM-Titeln und 84 Weltcupsiegen ist die gebürtige Regensburgerin mittlerweile Referendarin für Mathematik und Wirtschaft in Wasserburg. Im Interview mit unserer Zeitung sprach sie über Preisverleihungen und ihr neues Leben.

Frau Schaffelhuber, Stehempfänge mit Flying-Buffett werden Sie kaum vermissen, oder?

Ich habe mich nie beschwert, aber gemocht habe ich die nie.

Wie sieht Ihr Kleid danach aus?

Das ist nicht das Schlimmste. Aber als Rollstuhlfahrer hast du ständig diesen Tisch vor Augen. Außerdem stellen die Leute logischerweise ihre Getränke dort ab, man hat das Gefühl man sitzt unter dem Tisch. Die Gespräche laufen einen Meter über dir ab. Man ist nicht abgekapselt, aber läuft doch nur nebenher.

Soll man sich in solchen Fällen eigentlich zu Ihnen herunterbeugen?

Alle dürfen normal stehen bleiben. Sonst habe ich ein schlechtes Gewissen, mittlerweile weiß ich, dass es in die Knie geht, wenn man ständig auf meiner Augenhöhe bleibt.

Wie viele Autogramme mussten Sie in der Schule schon geben?

Noch gar keine, ich glaube, die Schüler trauen sich nicht, weil ich ihre Lehrerin bin. Wenn ich als Privatperson an der Schule wäre, wäre es wohl anderes.

Sind Sie streng?

Ich glaube schon. Ich war immer sehr strukturiert. Eine gewisse Grundstruktur erwarte ich auch bei den Schülern. Ich verstehe, dass man mal keinen Bock auf Mathe hat, aber dann muss man trotzdem durchziehen.

Haben Sie den Rollstuhl je als Schwäche empfunden?

Als Kind gab es solche Momente, wenn Freunde auf den Baum geklettert sind oder den Berg hochgewandert sind. Aber eigentlich habe ich mir selten Gedanken gemacht. Ich wusste dass alles geht, nur anders. Also Monoski statt Ski.

Wie haben Ihre Schüler generell reagiert?

Sehr cool. Aber viel hängt davon ab, wie ich auftrete. Wenn ich nachlässig wäre, würde ich mich sehr schwer tun. Ich merke das bei meinen Sportkollegen. Die sind fast zwei Meter groß, auch wenn sie es mal lässiger angehen, strahlen sie eine andere Autorität aus. Ich hingegen sehe teilweise die dritte Reihe nicht richtig, deswegen habe ich die Sitzordnung gleich mal geändert. Komisch ist auch: Schimpf mal einen Zehntklässler, der auf dich herunterschaut das fühlt sich noch etwas komisch an.

Was können Nicht-Behinderte von Menschen mit Behinderung lernen?

Dass man für sehr viele Situationen einen Plan B haben muss. In der Schule zum Beispiel, die Tafel, das ist schwierig für mich. Ich habe es ausprobiert, ich habe sie ständig rauf und runter geschoben, das war ein totaler Mist. Mittlerweile projiziere ich meine Schrift vom Schreibtisch an die Wand, da ist die Technik sehr hilfreich.

Interview: Mathias Müller

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