München – So eine ganze Trainingswoche mit allen Protagonisten kennt Hansi Flick in seinem Amt ja noch gar nicht. Seitdem der 54-Jährige den Cheftrainer-Posten beim FC Bayern übernommen hat, herrschte an der Säbener Straße Alltag, und das bedeutete: Länderspielpause gefolgt von Englischen Wochen. Erst in diesen Tagen, die zwischen der Niederlage gegen Leverkusen und dem Topspiel bei Tabellenführer Borussia Mönchengladbach liegen, kann Flick mal das machen, was ihn an diesem Job, in den er da reingerutscht ist, so gefällt: Mit seinen Spielern arbeiten. „Das tagtäglich zu erleben, macht mir riesig Spaß“, sagt er im Vereins-Magazin „51“.
Irgendwie ist die Szenerie an der Säbener Straße ja gerade lustig zu beobachten. Da sind Profis, die wieder Lust auf Fußball haben, brennen, aber trotzdem mit Spaß an der Sache sind. Und da ist der talentierte wie sympathische Hansi Flick, der die Freude an seiner Arbeit in nahezu jeder Minute ausstrahlt. „Ich habe festgestellt, dass ich sehr gerne wieder Trainer bin“, sagt er, fügt aber diplomatisch hinzu: „Ich kann mit der aktuellen Situation wunderbar leben.“ Konkret heißt das, dass es für ihn okay wäre, wenn wider Erwarten schon im Winter Schluss wäre. „In der Zwischenzeit schauen wir, dass wir so viele Punkte wie möglich holen – und guten Fußball spielen.“
Flick weiß freilich, dass Punkte und Attraktivität auch die besten Argumente für eine Verlängerung seiner Amtszeit sind, und die Verantwortlichen tun sich sowieso schon schwer, Argumente dagegen zu finden. Alles wirkt derzeit selten harmonisch, selbst die Niederlage gegen die Werkself war kaum kritischer Worte wert. Flick macht sein Ding – und er macht es gut. Seine Idee beschreibt er wie folgt: „Wir warten nicht ab, sondern gehen aktiv drauf und pressen. So möchten wir unsere Mannschaft spielen lassen.“
Die Stars folgen Flick, der öffentlich eher wie ein Kumpel-Typ wirkt, aber dennoch höchsten Respekt genießt. Ihm selbst gefällt es, „wenn Profis einen Trainer fordern“, und er sagt: „Gerade die Top-Spieler erwarten heute eine ganz andere Ansprache als früher.“ Bei vorherigen Stationen wie unter anderem in Hoffenheim und Salzburg sei es in der Trainerarbeit eher um das „Wie“ gegangen, heute sei das „Warum“ das Entscheidende: „Ich muss im Zweifel meine Entscheidung begründen können.“ Es sei wichtig, „dass die Spieler verstehen, welchen Fußball man als Trainer mit ihnen spielen möchte“.
In der täglichen Arbeit ist Flick häufig in derartigen Situationen, ihm helfen daher die modernsten Hilfsmittel wenig. „Ich kann einem Spieler zehn Situationen auf sein Smartphone schicke – wenn ich als Trainer nicht nachfasse, weiß ich nicht, wie er es sieht und umgekehrt.“ Der Dialog ist ihm wichtig, egal wie die Zeiten sich ändern. Geprägt ist seine Arbeit von viel Erfahrung, unter anderem als Spielertrainer in der Oberliga. „Ich konnte abseits der großen Bühne sehr viel experimentieren“, sagt er. Inspiriert haben ihn vor allem die italienische und die niederländische Trainingslehre.
In München schafft Flick derzeit das, was seine Förderer und Fürsprecher ihm immer zugetraut haben – was aber dennoch viele überrascht. Die Bayern hatten übrigens Glück, dass Flick im Sommer die Stelle als Co-Trainer von Niko Kovac angenommen hat. „Ich hätte das nur bei wenigen Vereinen gemacht“, verrät er. Weil der FC Bayern aber „von Kindesbeinen an“ sein Verein gewesen sei, „war die Sache schnell klar“. HANNA RAIF